Samurai 4: Der Ring der Erde (German Edition)
düsteren Gedanken!«, rief Shonin. »Jetzt wollen wir Jack in den Clan aufnehmen. Der Spatz landet nie dort, wo der Tiger umherschleicht.«
Sofort standen alle auf. Nur Jack saß noch.
»Du musst auch aufstehen«, flüsterte Miyuki. »Das war die geheime Parole unseres Clans. Wer nicht aufsteht, ist als Feind entlarvt.«
Shonin hob seine Tasse. »Jack ist von den Toten ins Leben zurückgekehrt. Sein alter Weg als Samurai ist sein neuer Weg als Ninja.« Er prostete Jack zu und die anderen Familienoberhäupter folgten seinem Beispiel.
»Ninja Jack! Mögen die fünf Ringe dich leiten!«
37
Die Nachricht
Jack kam sich vor wie der Frosch, der endlich das große Meer sieht. Zwar fühlte er sich nach wie vor den Samurai verpflichtet, doch zugleich war er unwillkürlich stolz über seine Aufnahme in den Ninjaclan.
Er hatte während seiner Ausbildung ständig mit Gewissensbissen gekämpft und sich vor sich selbst dafür rechtfertigen müssen, dass er mit Ninja zusammenlebte, die seinen Vater getötet hatten. Anfangs hatte er seine Entscheidung als überlebensnotwendig gerechtfertigt, später als beste Möglichkeit, seine Feinde kennenzulernen. Doch nach einiger Zeit hatte er festgestellt, dass die Ninja eigentlich gar nicht mehr seine Feinde waren und dass er sehr gerne mit ihnen zusammenlebte. Darüber hinaus entdeckte er, dass bestimmte Techniken des ninjutsu wirksamer waren als ähnliche Methoden der Samurai.
Anfangs war ihm das wie Verrat an der Lehre Masamotos und dessen unvergleichlicher Schwertkunst vorgekommen. Inzwischen glaubte er, dass die beiden Ansätze einander ergänzten. Genauso wie er den Buddhismus mit seinem christlichen Glauben versöhnt hatt e – die Religionen sind alle Fäden desselben Teppichs, nur in verschiedenen Farben, hatte Sensei Yamada einmal gesag t –, konnten womöglich auch ninjutsu und die Samuraikünste nebeneinander bestehen und Jack konnte beides sein, Samurai und Ninja. Akiko beherrschte beide Kampfkünste und war deshalb nahezu unbesiegbar. Vielleicht konnte er es ihr gleichtun. Sein Vater im Himmel mochte ihm verzeihen.
Im Herzen würde er Masamoto und den Samurai immer treu bleiben, egal was geschah. Doch der Geist des ninniku, das reine Herz des Ninja, wurde mehr und mehr zu einem Teil von ihm. Deshalb zögerte er auch, den Brief an Akiko zu verfassen.
Er saß auf der Treppe des Dorftempels im Schatten, und das weiße Blatt Reispapier, das er aus Sokes Haus mitgenommen hatte, lag unbeschrieben in seinem Schoß. Er konnte sich nicht überwinden, Akiko die Lage des Dorfes zu beschreiben. Wenn der Brief in falsche Hände fiel, war er ein Verräter und Akechi würde mit seiner Armee kommen und den Clan auslöschen.
Also musste er seine Nachricht verschlüsseln. Sein Vater hatte ihm gezeigt, wie man den Code las, mit dem die wichtigsten Passagen des Portolan verschlüsselt waren. Deshalb wusste er, wie man einen Geheimtext erstellte. Die Schwierigkeit bestand in seinem Fall darin, einen Code zu finden, den Akiko entschlüsseln konnte. Nach langem Überlegen beschloss er, eine Mischung aus den japanischen Schriftzeichen, die Akiko ihm beigebracht hatte, den wenigen englischen Worten, die sie von ihm übernommen hatte, und Anspielungen auf ihre Ausbildung an der Niten Ichi Ryu zu verwenden.
Zögernd nahm er das Stück Holzkohle, das er aus Sokes Ofen gezogen hatte, und begann zu schreiben. Er kam nur mühsam voran, denn er musste den Text richtig verschlüsseln und alle Schriftzeichen fehlerfrei schreiben.
Er brauchte einige Anläufe, doch am späten Vormittag hatte er die Nachricht fertig. Jetzt musste er nur noch einen Boten finden, der sie für ihn zustellte.
»Was machst du da?«, fragte eine Stimme hinter ihm.
Jack steckte das Blatt Papier schuldbewusst in seinen Kittel. Zwischen den Bäumen tauchte Shiro auf.
»Nichts«, antwortete er kurz angebunden.
Shiro musterte ihn argwöhnisch. »Sah aus, als hättest du was geschrieben.«
Jack erschrak. Wie lange hatte Shiro schon hinter ihm gestanden?
Er hatte den Tempel gewählt, weil er abgelegen war, und sich bei seiner Ankunft sorgfältig vergewissert, dass er allein war. Während des Schreibens hatte er den Weg zum Dorf immer im Auge behalten. Shiro musste aus irgendeinem Grund schon vor der Morgendämmerung in den Wald gegangen sein.
»Ich habe Schreiben geübt«, sagte er und hielt ein Blatt mit einem seiner misslungenen Versuche hoch. »Leider bin ich darin ziemlich schlecht.«
Er knüllte das Blatt zusammen,
Weitere Kostenlose Bücher