Samurai 7: Der Ring des Windes (German Edition)
diese Gräueltat hatte ansehen müssen … Tatsumaki gab ihm damit zu verstehen, dass jeder Fluchtversuch sinnlos war.
44
In der Piratenstadt
Doch Jack wollte sich von der Drohung der Piratenkönigin nicht einschüchtern lassen. »Ich habe unser Boot gefunden!«, verkündete er seinen Freunden am Abend desselben Tages.
Miyuki, Saburo und Yori konnten ihre Aufregung angesichts dieser Nachricht nur mit Mühe beherrschen.
»Dann brechen wir gleich heute Nacht auf!«, beschloss Miyuki.
Jack schüttelte den Kopf und berichtete ihnen von Captain Kujiras grausamer Schießübung. »Die Wachposten auf der anderen Insel würden uns sofort bemerken und zusammenschießen.« Die Jubelstimmung seiner Freunde schlug in Verzweiflung um.
»Was für eine Alternative haben wir?«
»Im Grunde keine«, sagte Jack. »Unsere einzige Chance ist die Flucht im Schutz des nächsten Neumonds.«
»Aber bis dahin sind es noch zwei Wochen«, sagte Saburo niedergeschlagen.
»Ich weiß, aber wir brauchen die Zeit, um herauszufinden, wie wir unbemerkt aus diesem Zimmer ausbrechen und zur Anlegestelle gelangen können«, erklärte Jack. »Außerdem weiß ich noch nicht, wo das Boot vertäut ist. Und wir können nicht im Dunkeln danach suchen.«
»Vielleicht lässt Tatsumaki uns schon vorher gehen?«, sagte Yori optimistisch.
»Darauf würde ich nicht zählen«, sagte Miyuki.
»Aber Jack meinte doch, sie sei für seine Informationen sehr dankbar.«
»Die Piratenkönigin lockt uns nur mit der Freiheit wie mit einer Karotte, um Jack weiter zum Reden zu bringen.«
Obwohl Jack insgeheim hoffte, Tatsumaki würde Wort halten, wusste er doch, dass Miyuki wahrscheinlich recht hatte. Die Piratenkönigin würde ihn nicht gehen lassen, dazu war er inzwischen viel zu wertvoll für sie. Und sie war nicht dumm. Sie wusste genau, dass der Portolan nur so viel taugte wie der Steuermann, der ihn erklärte. Um das Logbuch wirklich für sich nutzen zu können, brauchte sie seine, Jacks, Erfahrung aus erster Hand. Die Piraten würden nicht zulassen, dass er und seine Freunde die Pirateninsel verließen, daran änderte auch der Blutschwur nichts.
Eine weitere Woche verging. Die täglichen Gespräche über den Portolan wurden immer ausführlicher und die Fragen Tatsumakis hartnäckiger. Jack ließ zwar weiterhin wichtige Informationen unerwähnt, aber Captain Hebi schien das zu spüren und entwickelte das beunruhigende Geschick, ihm mehr zu entlocken, als er preisgeben wollte. Je mehr Zeit er damit verbrachte, die Geheimnisse des Logbuchs zu erklären, desto mehr nahm der Inhalt für die Piraten Gestalt an. Jack wusste, dass er und seine Freunde unbedingt beim nächsten Neumond fliehen mussten, sonst waren die Winddämonen zu guter Letzt noch in der Lage, den Portolan unabhängig von ihm als Steuermann für ihre Zwecke einzusetzen.
Wenigstens hatte er sich im Verlauf der Gespräche zunehmend das Vertrauen der Piratenkönigin erworben und durfte sich innerhalb der Zitadelle ohne Begleitung frei bewegen. Allerdings ging Tatsumaki nach wie vor kein Risiko ein, und die Wachen hatten Anweisung, ihn jedes Mal bei seiner Rückkehr ins Zimmer gründlich zu durchsuchen. Er konnte deshalb nichts zu seinen Freunden hineinschmuggeln. Stattdessen verbrachte er seine freie Zeit mit der Erprobung verschiedener Fluchtwege und prägte sich ein, wo die Wachen postiert waren. Sogar Zugang zum Balkon konnte er sich verschaffen, und er hielt von dort Ausschau nach Wegen an der Felswand hinunter zur Lagune. Doch der einzige Weg abgesehen von dem Aufzug, der mittels einer Winde von vier Männern am Fuß der Felswand betrieben wurde, schien mitten durch die senkrecht am Felsen hängende Piratenstadt zu führen.
»Du genießt die Aussicht?«, fragte Tatsumaki.
Jack blickte schuldbewusst auf, so als sei er auf der Flucht erwischt worden. »Ich habe die bemerkenswerte Konstruktion der Häuser bewundert.«
Tatsumaki legte die Hände auf das Geländer und blickte über ihr Reich. »Es hat zehn Jahre meines Lebens gedauert, das alles zu bauen. Vor der Nase von Daimyo Mori. Aber er wird die Winddämonen nie besiegen – er weiß nicht, wo wir sind, und wird es nie erfahren. Willst du dir die Stadt näher ansehen?«
»Ich darf sie mir ansehen … allein?«, fragte Jack überrascht.
Tatsumaki lachte. »Nicht, wenn dir dein Leben lieb ist. In der Piratenstadt geht es manchmal ziemlich rau zu. Du brauchst einen Führer. Und ich glaube nicht, dass du fliehst – ich weiß, wie treu du
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