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San Miguel: Roman (German Edition)

San Miguel: Roman (German Edition)

Titel: San Miguel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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große Feier geplant, aber diesen Plan hatten sie dann aufgeben müssen – es blieb einfach nicht mehr genug Zeit für die Blutuntersuchung und die Heiratserlaubnis, jedenfalls nicht in Kalifornien. In Arizona war das anders. In Arizona ging es schneller. Und weil Bob Brooks in der Verhandlung gegen einen seiner Untergebenen, der auf das Boot von Wilderern geschossen und den Mann an den Rudern getroffen – das heißt: getötet – hatte, als Zeuge aussagen musste, war sie gezwungen gewesen, schon wieder in einen Zug zu steigen, durch die Wüste zur St. Paul’s Episcopal Church in Yuma und wieder zurück zu rattern, denn Herbie wurde hier gebraucht, und zwar dringend, Hochzeit hin oder her. Sie beklagte sich nicht, nicht einmal insgeheim – es war das Romantischste gewesen, was sie sich nur vorstellen konnte –, aber sie war müde, und der Hügel war steiler als eine Skipiste, und ihre Füße waren schwer wie Blei.
    »Erzähl mir noch mal von dem Haus«, sagte sie. »Und von unserem Bett. Wie ist unser Bett?«
    »Erstklassig, bildschön, das beste Bett der Welt. Ein großes altes Paradebett aus Mahagoni, mit einer Matratze, so weich wie ... ich weiß nicht, wie Cremepudding mit Schlagsahne.«
    »Und genauso kalt?«
    »Nicht wenn du auch drinliegst. Die Decken sind die besten Armeedecken weit und breit, und darüber liegt noch der Quilt, den meine Oma genäht hat. Und die Kissen ... die Kissen sind so weich wie der Busen deiner Mutter – «
    »Herbie!«
    »Oder der Busen meiner Mutter. Und es ist ein Ofen im Schlafzimmer, damit du nachts nicht frierst – ich muss nur noch das Ofenrohr anschließen. Außerdem ist das Zimmer groß, das größte im ganzen Haus, und das Haus ist praktisch neu, vor nicht mal fünfundzwanzig Jahren von Captain Waters und seinem Verwalter aus besten Brettern und Balken gebaut, als hier ein Schiff gesunken ist, das ausgerechnet Bauholz geladen hatte. Ich glaube, das alte Haus haben sie dann einfach aufgegeben – ich weiß nicht, ob es zu klein war oder einfach auseinanderfiel. Aber ich kann dir die Ruine zeigen. Schon erstaunlich, wie schnell so ein Haus verfallen kann – alles unter Sand begraben wie in diesem Gedicht, wie heißt es noch mal? Du weißt schon, das in deiner Gedichtsammlung. Von Lord Byron oder – «
    »Nein, Shelley.«
    »Shelley, ja, Shelley. Aber vom Haus, von unserem Haus hat man eine Aussicht, bei der man auf dem Festland gelb vor Neid werden würde« – er fuhr herum und zeigte mit dem Finger, wobei er rückwärts ging, ohne langsamer zu werden, er stapfte, und der Schlamm schien ihm nichts auszumachen –, »da drüben, wo alle in diesem Scheißleben gefangen sind, das nie aufhört, mit ihren Automobilen und Zügen und Schnellimbissen , und alle rennen, als wäre es so was wie ein Wettlauf, ein Marathonlauf nach nirgendwo ... Und du wirst sehen, es ist so gebaut, dass es dem Wind so wenig Angriffsfläche wie möglich bietet, wie ein großes V, mit einem Hof in der Mitte und Bretterzäunen, um den Wind abzuhalten. Und den Sand natürlich. Der Sand ist hier nämlich das, was woanders der Schnee ist, das muss man bedenken. Es gibt plötzliche Stürme, und an allem, was die nicht wegwehen können, bleibt der Sand liegen. Aber komm, Schatz, wir müssen da hinauf, damit ich dir alles zeigen und die Pferde anschirren und unser Zeug vom Strand holen kann, bevor es stockdunkel ist. Du willst doch nicht, dass deine Bücher feucht werden, deine Bibliothek, meine ich. Wie viele Bücher hast du in New York eingepackt? Tausend?«
    Sie wollte die Schultern zucken – es war alles nur freundliche Neckerei zwischen ihr und ihrem Ehemann –, aber das Laufen strengte sie so an, dass sie sich diese zusätzliche Bewegung ersparte. »Halb soviel.«
    »Immerhin«, sagte er.
    Das Haus war kalt und dunkel, eine weitläufige Aufeinanderfolge von Räumen und Türen, die eine gute Kulisse für einen Film von Mack Sennett abgegeben hätte, wo andauernd irgendwelche komischen Menschen durch irgendwelche Türen traten, nur dass in den Zimmern praktisch nichts war außer dem einen oder anderen Stuhl oder Bettgestell, dem Tisch in der Küche und dem Paradebett im Schlafzimmer. Herbie stellte ihre Rucksäcke auf dem Küchentisch ab und zündete den Ofen an, und dann nahm er ihre Hand und führte sie durch das Haus: Hier schliefen die Scherer, und da drüben, auf der anderen Seite des Hofs, waren die Schmiede und der Vorratsschuppen, den er so bald wie möglich zu einer Bar umbauen wollte,

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