San Miguel: Roman (German Edition)
anderes vor. Was Besseres.«
Und dann nahm er ihre Hand und führte sie durch das Haus zum Schlafzimmer, wo das Fußende des Paradebetts wie eine sich brechende Welle aufragte und das Negligé aus schwarzer Seide schlaff auf dem Kopfkissen lag. Es war vollkommen still. Kein Geräusch war zu hören, nicht einmal der Wind. Er hielt ihr das Negligé hin und küsste sie leidenschaftlich. Er wollte sie nicht nach nebenan gehen lassen, damit sie es anzog, und als sie es angezogen hatte, durfte sie das Licht nicht löschen. Nicht gleich jedenfalls.
DIE MÄUSE
Diese erste Woche war idyllisch. Sie waren allein an einem wilden, ungezähmten Ort, und nichts auf der Welt konnte das langsame Entstehen eines Gefühls des Glücks und des Friedens behindern, so groß, dass sie es gar nicht benennen konnte. Jeden Morgen erwachte sie erfrischt, alles war neu, über den Hügeln lag Nebel, und im großen gusseisernen Küchenherd brannte ein Feuer. Herbie hatte dann schon eine Kanne Kaffee gekocht, und sie beugte sich im Morgenmantel zu ihm und gab ihm einen Kuss, bevor sie sich um die Speckpfannkuchen oder den French Toast kümmerte, den sie mit Butter bestrich und mit Ahornsirup übergoss. Frühstück, Frühstück für zwei. Und dann gingen sie spazieren. Jeden Morgen nach dem Frühstück wanderte er mit ihr über die Insel und zeigte ihr alles: die steil ins brodelnde Meer abfallenden Klippen, die wie der bucklige Rücken eines Wals aus dem Wasser ragende Prince Island und die echten Wale, die mitten in der Bucht auftauchten. Da waren die Höhlen am Eagle Cliff mit den in die Felsen geritzten Zeichnungen der Indianer, die See-Elefanten, die wie riesige dicke Würste am Strand lagen, der versteinerte Wald mit den gespenstisch verdrehten fossilen Bäumen. Die Wildblumen. Die weite, offene Landschaft. Und die frei herumstreifenden Schafe, die raison d’être des ganzen Unternehmens.
Nachmittags widmete er sich seinen Aufgaben, und sie machte sich daran, das Haus zu gestalten, ohne Zwang, ohne Eile – es war ein langsames, anhaltendes Sichversenken in das verträumte Vergnügen, Gegenstände zu arrangieren, die wenigen vorhandenen Möbel hierhin oder dorthin zu stellen und auszuprobieren, welcher Sessel oder Tisch sich am Fenster oder in der Ecke am besten machte. Sie ließ sich Zeit damit, ihre Bücher auf den Regalen im Wohnzimmer nach Kategorien zu ordnen, ihre Bilder aufzuhängen, alle Krüge, die sie finden konnte, abzuwaschen und getrocknete Blumen hineinzustellen, einfach weil sie so schön aussahen. Am Ende des Tages gab es das Essen, das sie für ihn gekocht hatte – Lammfleisch und Reis, einen Fisch, den er gefangen hatte, Muscheln à la marimère –, und dann kam der ruhige Abend, den sie damit verbrachten, am Ofen zu sitzen und einander vorzulesen, und schließlich gingen sie zu Bett, wo es dunkel war und sie ihn an ihrer Seite spürte. Sie nannte ihn Adam, er nannte sie Eva.
Als Jimmie zurückkehrte, war es, als würde eine Blaskapelle mit schmetternden Trompeten und scheppernden Becken über den Hof und ins Haus marschieren – sie war so daran gewöhnt, nur die Stille und den Klang ihrer eigenen Stimmen zu hören. Am ersten Abend quatschte er ihnen die Ohren voll und erzählte von Leuten, von denen sie kaum je gehört hatte, von den Vails und den Vickers, von ihren Familien und Rancharbeitern und den Details der kleinen Fehden und Streitigkeiten, bei denen es um dies oder das gegangen war. Herbie hatte ein Schaf geschossen und gehäutet – die verdorbenen Reste, die sie in der Kühlkammer vorgefunden hatten, waren auf den Komposthaufen gelandet, ein Fraß für die Raben und Zwergfüchse, die wie kleine Hunde auf der Insel herumtrabten –, und sie hatte eine sehr anständige Lammkeule mit Minzsauce auf den Tisch gebracht, dazu Bratkartoffeln und Dosenerbsen, die sie mit einer Handvoll Perlzwiebeln aufgewertet hatte.
»Sie kennen doch Bobby Burgos, der da drüben für die Pferde zuständig ist?« Jimmie fläzte sich auf seinem Stuhl und fuchtelte mit der Gabel, als wäre sie ein Taktstock und als wollte er gleich aufstehen und die Kapelle in eine andere Richtung führen. »Der ist abgeworfen worden und hat sich das Schienbein gebrochen, einfach durchgebrochen, konnte man gut hören. Haben Sie die Küstenwache gesehen? Die kam drei Tage später, um ihn zu holen, aber er hat nur abgewinkt. Zäher alter Knochen.«
Herbie, ihr Herbie, trommelte mit den Fingerspitzen und tappte mit den Füßen, und aus seinem Seufzer
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