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San Miguel: Roman (German Edition)

San Miguel: Roman (German Edition)

Titel: San Miguel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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und die meiste Zeit ohne feste Adresse – das war nichts für ihn. Er brauchte einen Neuanfang.«
    Sie wusste nicht, was sie darauf sagen sollte: Brooks war derjenige, der die Fäden zog, er war der Boss, und so ungezwungen er sich auch verhielt, spürte sie doch, dass sie in seiner Gegenwart auf der Hut sein oder zumindest auf ihre Worte achten sollte. »Dafür sind wir dir dankbar«, sagte sie.
    »Nein, nein, nein«, widersprach er und hob abwehrend die Hände. »So habe ich das nicht gemeint. Ihr beide tut mir einen Gefallen. Es ist nur so, dass ich, na ja, dass ich ein paar Verluste hatte, wie alle anderen, und nicht weiß, wie lange ich die Farm hier noch unterhalten kann. Selbst wenn Herb den Betrag aufbringt, den wir für seinen Anteil vereinbart haben – « Er schien den Ausdruck auf ihrem Gesicht gesehen zu haben, denn er unterbrach sich und fügte rasch hinzu: »Aber das ist alles noch in der Schwebe – ich wollte nur, dass du es weißt, für alle Fälle, und ich finde, es sollte unter uns bleiben, denn es hat ja keinen Sinn, ihm noch mehr Druck zu machen, als er ohnehin schon hat.« Ein rasches Lächeln. »Und außerdem weiß man nie, wie die Dinge sich entwickeln.«
    Und dann war Herbie wieder da und zeigte ihnen das Gewehr, das ein seltener Schatz war, mindestens hundert Jahre alt, und hier, diese mit schwarzer Tusche ausgemalten Kerben? »Wisst ihr, was das heißt – jedenfalls laut dem Japs, der es mir verkauft hat?« Er strahlte, und alle drei saßen da, im schwebenden Morgenlicht, vor den Fenstern sangen die Vögel, und das ferne Blöken der Schafe war gerade eben noch vernehmbar. Sie hielt sich ganz still. Gewehre. Er besaß Gewehre, und sie hatte keine Ahnung davon. Sie wusste nur, dass Jäger Gewehre hatten und dass es hier im Wilden Westen überall, die Küste hinauf und hinunter und in Arizona, Nevada und Texas, Jäger gab, die auf alles mögliche schossen.
    »›Mond im Wasser, Blüten am Himmel‹«, sagte Herbie. »Ist das zu fassen? Mond und Blüten? Was haben die mit Jagd oder Krieg oder Selbstverteidigung zu tun? ›Ziel gut‹ müsste da eigentlich stehen.« Er schnalzte mit der Zunge, hob das Gewehr an die Schulter und visierte ein imaginäres Ziel vor dem Fenster an. »Ziel gut«, sagte er und ließ den Hahn schnappen.
    »Herbie! Nicht im Haus! Wenn sie jetzt losgegangen wäre!«
    Doch er lachte nur. »Das ist kein Steinschloss, Elise, sondern ein Luntenschloss. Man muss erst die Lunte anzünden. Stimmt’s, Bob?«
    Bob hielt an seinem Grinsen fest. »Stimmt«, sagte er. »Kein Grund zur Sorge.«
    Danach, als Herbie seinen Gast zum Strand begleitete, nahm er das Gewehr mit, und den ganzen restlichen Vormittag hörte sie, während er hinunter- und wieder hinaufging, in regelmäßigen Abständen den klaren, scharfen Knall der Schüsse. Peng, peng, peng.

ORCA
    Es war August, und sie war längst im dritten Monat, als sie merkte, dass sie schwanger war. Ihre Brüste waren empfindlich. Ihr Gesicht war in letzter Zeit aufgequollen, an den Oberarmen und um die Hüften hatte sie zugenommen, und sie wusste schon gar nicht mehr, wie lange es her war, dass sie morgens aufgestanden war, ohne sich so unwohl zu fühlen, als wäre die Insel ein Schiff in wogender See. Trotzdem kam sie nicht auf den Gedanken, sie könnte schwanger sein. Junge Frauen wurden schwanger, Frauen in den Zwanzigern, nicht sie. Sie war beinahe vierzig – der natürliche Mechanismus, der diese Dinge regelte, hatte seine Arbeit bestimmt schon vor Jahren eingestellt. Eingetrocknet . Das war das Wort, das ihr dazu einfiel. Herbie und sie hatten nie über Kinder gesprochen, doch sie hatte angenommen, dieses Thema sei ohnehin erledigt. Sie war zu alt. Zu vertrocknet . Ein spätes Mädchen, das vor dem Schicksal der alten Jungfer bewahrt worden war und einen Platz als Gefährtin, Gehilfin, Köchin und Wäscherin gefunden hatte – mit Sex als Dreingabe.
    Doch sie hatte sich geirrt. Herrlich geirrt. Sie stand am Herd vor einem Topf Bohnen und einer Pfanne mit gleichgültig brutzelnden Fischen, als die Erkenntnis über sie kam wie ein elektrischer Schlag, der sie praktisch in Brand setzte. Es war spät am Nachmittag und warm, Türen und Fenster standen offen, obwohl die Fliegen so nach Herzenslust ein- und ausfliegen konnten. Herbie saß am Küchentisch, trank Tee aus einer der Porzellantassen, die sie zur Hochzeit bekommen hatten, und las eine zerfledderte Ausgabe von Field and Stream . Sie überlegte, wann sie zum letztenmal

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