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San Miguel: Roman (German Edition)

San Miguel: Roman (German Edition)

Titel: San Miguel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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und das war dann natürlich genau das, was passiert ist –, und das muss dann 90 oder 91 gewesen sein. Damals waren wir befreundet, wir waren ja die einzigen jungen Leute hier. Man könnte sagen, wir waren so was wie Spielkameraden.« Er riss ein Streichholz an, entzündete die Zigarette und machte ein zufriedenes Gesicht. »Wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    »Sie waren in sie verliebt.«
    Er wandte den Blick ab und blies den Rauch aus. Ein schmales Lächeln spielte um seine Lippen. »Ja«, sagte er, »ich war in sie verliebt. Aber dann war sie weg und auf sich allein gestellt, und es war noch kein Jahr vergangen, da hat sie da oben in San Francisco einen Schauspieler geheiratet, mit dem sie in einem Stück gespielt hat – na ja, ich weiß nicht, ob sie damals schon gespielt hat. Ich glaube, anfangs hat sie Kostüme und so genäht. Aber sie hat ihn geheiratet und ein Kind gekriegt, Dorothy. Das war in Los Angeles, da sind sie hingezogen, damit sie in einem Stück im Merced Theater spielen konnte, und ich glaube, da war sie noch keine Zwanzig. Aber er hat nichts getaugt. Hat kein Geld ins Haus gebracht, soviel ich weiß – einer von denen, die denken, eine Frau sollte für ihren Mann sorgen. Wenn sie mich geheiratet hätte, wär ihr das nicht passiert, soviel ist sicher.«
    Sie versuchte, es sich vorzustellen: die junge Frau, die Schauspielerin, die vorher hier draußen, in dieser unermesslichen Weite, gelebt hatte, und nun einsam und allein in einer trostlosen Mietwohnung wie der hauste, die sie nach Mariannes Geburt hatten nehmen müssen, wo Straßenbahnen vorbeirumpelten und zu jeder Tages- und Nachtzeit Betrunkene grölten. Ein Baby, um das sie sich kümmern musste. Und keine Eltern, die ihr zu Hilfe kamen.
    »Was ist aus dem Kind geworden?«
    Er schüttelte den Kopf. »Das ist eine traurige Geschichte.«
    »Es ist doch nicht gestorben?«
    »Nein, nein, sie ist nicht gestorben. Jedenfalls nicht damals. Edith – Inez, meine ich – hat Dorothy bei einer Frau in Los Angeles gelassen und ist wieder nach Frisco gegangen. ›Vielleicht finden Sie jemanden, der sie adoptiert‹, hat sie zu der Frau gesagt. Eiskalt. Und das war schon seltsam – wie die Mutter, so die Tochter, könnte man sagen –, denn Edith war ja selbst adoptiert worden. Niemand wusste, wer ihre Eltern waren. Mrs. Waters hatte sie als ganz kleines Kind adoptiert, bevor sie den Captain geheiratet hat. Aber ich muss sagen: Seine eigene Tochter einfach so wegzugeben – das ist schon ein starkes Stück.
    Ich hab die ganze Sache in den Zeitungen verfolgt, und Dorothy, die ihrer Mutter wohl ziemlich ähnlich sah – das heißt, sie war hübsch, sehr hübsch –, wurde nicht von irgendeinem x-beliebigen adoptiert, sondern von einem leibhaftigen Ölmillionär. Der hat sich dann scheiden lassen, und als er gestorben ist – das war nur zwei Jahre nach der Adoption, als Dorothy gerade mal drei, vier Jahre alt war –, hat die Kleine alles geerbt. Millionen. Unglaublich, oder?«
    Jimmie stand auf, ging zum Herd und schenkte sich noch einen Becher Kaffee ein. Dann setzte er sich wieder an den Tisch und gab so viel Zucker hinein, dass der Löffel beinahe darin steckenblieb. Er zwinkerte ihr zu. »Ich mag es süß. Von Zucker hab ich mein Leben lang nie genug kriegen können. Ist zwar schlecht für meine Zähne, aber man lebt ja nur einmal, nicht?«
    Sie nickte und trank einen Schluck von dem Malzkaffee, der nach dem schmeckte, was er war: geröstetes Getreide mit heißem Wasser. Eigentlich mochte sie das Zeug gar nicht – kein Mensch mochte es, außer vielleicht irgendwelche Gesundheitsapostel. Im Grunde schmeckte es grässlich. Aber wenn sie jetzt eine Tasse Tee oder Kaffee trank, lag sie die ganze Nacht wach und machte sich Sorgen um Herbie.
    »Aber Edith war nicht blöd«, sagte Jimmie, blies auf seinen Kaffee und angelte eine weitere Zigarette aus der Hemdtasche. »Sie hat sich einen Anwalt genommen und ist gegen die Ehefrau, die geschiedene Ehefrau des Millionärs, vor Gericht gegangen, um das Sorgerecht für ihre Tochter zu kriegen – für die kleine Dorothy, die sie nicht mal erkannt hätte, wenn sie nicht ein Foto von ihr gehabt hätte. Aber sie war die Mutter, und nach dem, was in den Zeitungen stand, hat sie im Gerichtssaal die beste Vorstellung ihres Lebens gegeben, und am Ende hatte sie ihre Tochter zurück, ohne irgendwelche Auflagen oder Bedingungen, aber mit jeder Menge Geld. Tausend im Monat. Das ist mehr, als ich in meinem ganzen Leben

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