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San Miguel: Roman (German Edition)

San Miguel: Roman (German Edition)

Titel: San Miguel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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sollt uns also vor einer Invasion beschützen – mit dem Gewehr da? Mit dem alten Ding? Die Springfield hatten wir schon im Weltkrieg, hat euch das niemand erzählt? Die konnten euch nicht mal ein M 1 Garand geben?«
    »Äh, nein, Sir«, sagte der erste und zog den Kopf ein, »das ist im Moment leider nicht möglich. Captain Hill – das ist der, von dem wir unsere Befehle haben – sagt, wir sind knapp dran mit Handfeuerwaffen und müssen uns mit dem behelfen, was da ist, bis wir oder bis man – «
    »Bis was? Bis die Waffenfabriken in diesem Land auf Kriegsproduktion umgestellt haben? Da werden wir wohl noch ein Weilchen warten müssen.« Er warf ihr einen enervierten Blick zu und verdrehte die Augen, als wollte er sagen: Mit solchen Idioten sollen wir uns abgeben! Aus dem Augenwinkel sah sie, dass der Hund über den Hof getrottet kam, um den Besuch in Augenschein zu nehmen, und sich dann in sicherer Entfernung hinsetzte. Der Wind war kalt und hartnäckig und roch nach Schafen. Er zauste das Haar von Betsy, die das Bein ihres Vaters umklammerte, sich dahinter versteckte und schalkhaft hervorsah, um mit diesen faszinierenden Wesen, die ein glücklicher Zufall hierher verschlagen hatte, Verstecken zu spielen. »Ich hab da irgendwas von Quartier nehmen gehört«, sagte Herbie.
    »Ja, Sir.« Der mit dem Gewehr – Reg – salutierte abermals. »So lauten meine Befehle, Sir.«
    »Und wer soll euch eurer Meinung nach verköstigen? Quartier nehmen – dass ich nicht lache! Wenn ihr glaubt, ihr könnt hier reinmarschieren mit eurer Springfield und uns herumkommandieren, als wenn das eine Kaserne wäre, habt ihr euch geschnitten.«
    Der Kleinere, Freddie, sagte: »Sie verstehen nicht, Sir. Wir sind zu Ihrem Schutz hier. Zu Ihren Diensten. Für Ihre ganze Familie. Und um auf – «
    »Verdächtige Aktivitäten zu achten?«
    »Ganz recht, Sir. Verdächtige Aktivitäten.«
    Herbie verschränkte die Arme und legte den Kopf in den Nacken, als musterte er die beiden aus großer Entfernung. »Dass ich nicht lache. Wisst ihr überhaupt, wie man mit dem Ding da umgeht?«
    Jetzt wirkte der Größere aufgebracht. »Wir sind ausgebildet worden.«
    »Und wie«, bestätigte der andere.
    »Na, dann können wir ja ruhig schlafen.« Herbie wandte sich zu ihr, die Augenbrauen in gespielter Überraschung hochgezogen. »Hast du das gehört, Elise? Sie sind ausgebildet worden. Da sind wir sehr erleichtert, nicht?«
    Sie quartierten die beiden in dem Raum für die Scherer gleich neben der Küche ein. Der Brief ihres befehlshabenden Offiziers ließ Herbie und ihr die Wahl, entweder evakuiert zu werden – was bedeuten würde, dass sie alles zurücklassen müssten, was nicht in einen Koffer pro Person passte – oder die Anwesenheit dieser beiden hinzunehmen. In Zeiten der Not, fuhr Captain Hill fort, müsse jeder Opfer bringen, und er betonte, die Regierung habe bereits sämtliche privaten Flugzeuge und zahlreiche seetüchtige Schiffe requiriert, darunter Passagierschiffe, Schlepper, Tanker, Fischerboote und sogar private Yachten, und daher sei es ihre Pflicht als amerikanische Staatsbürger und Patrioten, dem Vollmatrosen Bauer und dem Matrosen Frederickson Quartier zu geben – die beiden würden bei Bedarf im Haushalt helfen und darüber hinaus regelmäßige Patrouillengänge machen, um sie vor feindlicher Infiltration oder Angriffen zu beschützen. Des weiteren sei zur Entlastung ihrer Vorräte jeder Mann mit zehn Pfund Reis, zehn Pfund Bohnen und einer bestimmten Menge Trockenfleisch versehen, einschließlich, aber nicht notwendigerweise beschränkt auf Schinken, Speck und Dörrfleisch.
    Herbie war nicht glücklich darüber und sie auch nicht. Es waren Fremde im Haus, und diese waren keine gebetenen Gäste und gehörten nicht zu den mexikanisch-indianischen Scherern, die zweimal im Jahr kamen und die sie im Lauf der Jahre als Freunde und Arbeiter schätzen gelernt hatten. Wo blieb ihre Privatsphäre? Was erwarteten diese Jungen von ihnen, und was sollten sie ihrerseits von ihnen erwarten? Vom ersten Abend an fühlten sie sich in ihrem eigenen Haus bedrängt, aber das Land befand sich im Krieg, und es gab nur eine Alternative: Wenn die Familie Lester die beiden aufnahm, durfte sie bleiben, wenn nicht, würde man sie gewaltsam evakuieren. Die Regierung hatte alle Macht, und jetzt wäre es für irgendeinen Bürokraten leichter denn je zuvor, Bob Brooks’ Pachtvertrag für nichtig erklären zu lassen – er brauchte nur zu behaupten, es

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