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San Miguel: Roman (German Edition)

San Miguel: Roman (German Edition)

Titel: San Miguel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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geschehe aus Gründen der nationalen Sicherheit –, und niemand wusste das besser als Herbie. Und als wäre das alles nicht schon schlimm genug, appellierte man darüber hinaus an seinen Patriotismus. Dabei gab es niemanden, weder in Washington noch auf irgendeinem Schiff, das noch auf dem Pazifik herumfuhr, der seine Loyalität in Zweifel ziehen konnte – so jedenfalls sah er es, und das sagte er ihr auch; er sagte es bis spät in die Nacht, machte seinem Ärger Luft, ging im Zimmer auf und ab und gestikulierte wie ein Volksredner, so erregt, wie sie ihn noch nie erlebt hatte. »Herrgott, ich bin Kriegsveteran, ich hab für mein Land gekämpft und werd’s auch wieder tun, wenn sie das von mir verlangen. Patriotische Pflicht! Dass ich nicht lache! Es ist eine Beleidigung!«
    Am nächsten Morgen hatte er sich beruhigt. Anfangs war er ungewöhnlich still, saß am Tisch vor seiner Tasse Kaffee und starrte ins morgendliche Zwielicht, während sie Haferbrei kochte und Brot schnitt, um es im Ofen zu toasten. Er hatte »Guten Morgen« gemurmelt, als er in die Küche getreten war, doch dann schwieg er, bis er schließlich ganz unvermittelt verkündete: »Die Navy ist nicht das Problem. Das verstehe ich jetzt.« Er setzte sich anders hin, senkte die Tasse, von der er getrunken hatte, und begann, mit ihrem Fuß unsichtbare Linien auf dem Tisch nachzuzeichnen. »Natürlich verstehe ich das. Die Japse sind das Problem, die Japse. Und gegen die müssen wir alle zusammenhalten.«
    Es war sieben Uhr, und die Matrosen schliefen noch – das jedenfalls nahm sie an. Vielleicht irrte sie sich aber. Vielleicht waren die beiden auf Patrouille und trugen abwechselnd das Gewehr.
    »Trotzdem ärgert es mich gewaltig, dass sie uns zwei solche Trottel geschickt haben. Das sind Babys, die bei der ersten Granate wahrscheinlich nach ihrer Mama schreien. Und wenn die denken, das hier ist ein Sanatorium und sie können eine ruhige Kugel schieben, werden sie sich wundern. Du wirst ihnen sagen, was sie in der Küche zu tun haben – Herrgott noch mal, die sollen Geschirr spülen und putzen, bis alles blitzt und blinkt –, und ich werde ihnen draußen was zu tun geben, Feuerholz machen zum Beispiel. Wir haben jetzt zwei Esser mehr am Tisch, zwei Erwachsene, und das heißt, wir brauchen doppelt soviel Feuerholz, mindestens.«
    Als die Jungs in die Küche kamen – um Viertel vor acht –, wirkten sie noch verschüchterter als am Abend zuvor. Ihre Uniformen oder vielmehr Arbeitsanzüge waren verknittert, als hätten sie darin geschlafen, aber sie schienen sich Hände und Gesicht gewaschen zu haben, und ihre Fingernägel waren ziemlich sauber, als sie sich an den Tisch setzten und sie ihnen Haferbrei, Toast und Marmelade servierte. Herbie war bereits in den Schuppen gegangen, um zu erledigen, was immer er an kalten, feuchten, ungemütlichen Morgen wie diesen erledigte, und das milderte die Spannung etwas. Die Mädchen hatten schon gefrühstückt, und da die Ferien vorbei waren, hatte sie ihnen gesagt, sie sollten auf ihr Zimmer gehen und sich auf den Unterricht vorbereiten, der beginnen würde, sobald sie die Matrosen versorgt und die große Glocke auf dem Hof geläutet hatte.
    Reg, der größere der beiden, der mit den karamelbraunen Augen und der rosigen Kopfhaut, die durch den Bürstenschnitt schimmerte, aß mit steifen, eckigen Bewegungen, wie man es von einem Soldaten erwarten würde, doch sein Kamerad Freddie saß in sich zusammengesunken da, als hätte ihn noch nie im Leben jemand ermahnt, auf seine Haltung zu achten, nicht einmal seine Mutter. Nach gut fünf Minuten Stille, die nur vom metallischen Ticken des Ofens und dem Klirren der Löffel an den Haferbreischüsseln unterbrochen wurde, sagte Reg: »Entschuldigen Sie, Ma’am, aber haben Sie vielleicht etwas Butter für den Toast? Bitte?«
    Und jetzt schämte sie sich für ihre Küche. Butter? So etwas hatte sie seit Wochen nicht mehr gesehen. »Ich fürchte, im Augenblick müsst ihr euch mit Marmelade begnügen. Seit Pearl Harbor haben wir nur noch unregelmäßig Lieferungen gekriegt.«
    »Tatsächlich? In der Basis steht das Zeug kistenweise herum, stimmt’s, Freddie?«
    »Ja, wir hätten Ihnen ... Das heißt, wenn wir das gewusst hätten ...«
    »Macht nichts«, sagte sie. Sie stand an der Arbeitsfläche und räumte auf, bevor sie mit dem Unterricht begann. »Wir haben gelernt, mit dem auszukommen, was da ist. Nicht dass es manchmal nicht schwierig wäre. Vor allem seit einem

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