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San Miguel: Roman (German Edition)

San Miguel: Roman (German Edition)

Titel: San Miguel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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ungeschickt von der Lammkeule im Kühlraum geschnittene Stücke Fleisch sowie die letzten der von der Hermes mitgebrachten Äpfel fehlten. Was sie sagte, war: »Vielleicht warst du gestern zu streng mit ihnen. Sie haben schließlich auch ihren Stolz. Denk doch mal daran, wie du in ihrem Alter warst.«
    »Zu streng? Herrgott! Es ist schon erstaunlich, dass sie überhaupt die Energie aufbringen, sich den Hintern abzuwischen.«
    »Herbie.«
    »Herbie was? Das hatten wir alles schon geklärt. Ich hab’s einfach satt!«
    »Aber sie sind hier und werden so bald nicht verschwinden, nicht, solange Krieg ist, und der ist bisher für uns nicht besonders gut gelaufen, oder?«
    »Das kannst du laut sagen.« Er wischte seinen Teller mit einem Stück Brot aus, hielt inne und starrte sie finster an, als hätte sie persönlich diesen Krieg begonnen und die Japaner mit Waffen ausgerüstet, bis sie so gut wie unbesiegbar waren.
    »Wir müssen uns mit den Tatsachen abfinden: Die Navy hat jetzt das Sagen und macht, was sie will, nicht nur hier, sondern entlang der ganzen Küste. Sei froh, dass die uns nicht fünfzig Matrosen geschickt haben.« Sie stand auf, räumte die unbenutzten Teller zusammen und blieb bei den Mädchen stehen. »Und ihr esst jetzt auf und bringt eure Teller in die Küche. In genau zwanzig Minuten läute ich zum Nachmittagsunterricht.« Die beiden aßen die letzten Bissen – gebackene Bohnen mit Mais aus der Dose und je zwei Streifen gebratenem Speck –, nahmen ihre Teller und gingen hinaus.
    Sie sah Herbie an, der die Zähne so fest zusammenbiss, dass sich die Muskeln unter seinen Wangen abzeichneten, und seufzte. »Mir gefällt das genausowenig wie dir, aber ich finde, wir müssen einfach das Beste daraus machen, meinst du nicht?«
    »Nein, meine ich nicht.« Er sah sie wütend an, und seine Backenmuskeln arbeiteten immer noch. »Ich werde mich über sie beschweren, jawohl – die sollen andere herschicken, Männer, die wissen, was Arbeit ist. Sogar Jimmie erledigt mehr als diese beiden Trottel zusammen.«
    In diesem Augenblick erschien Freddies Gesicht am Fenster – die ungleichmäßig geschnittenen Haare (das hatte er auf seinem Zimmer erledigt), die zu hohe Stirn und die kleinen Augen –, und sie sah sofort, dass irgend etwas nicht stimmte. Ihr erster Gedanke war – und dabei setzte ihr Herz für einen Moment aus –, dass die Japaner da waren, aber das war es nicht. Freddie gestikulierte wild und stieß die Tür auf. Er keuchte. »Das Pferd«, sagte er, »es hat – «
    Herbie sprang auf. »Welches Pferd? Wovon redest du?«
    »Buck. Wir haben ... Reg hat ihn geritten, und jetzt lahmt er.«
    »Ihn geritten? Ich hab euch doch gesagt, dass ihr Buck nur reiten dürft, wenn ich es sage.«
    »Er hat jedenfalls irgendwelche Schwierigkeiten – steht einfach auf drei Beinen da und lässt sich nicht von der Stelle bewegen.«
    Die nächste Frage war, wo Buck war – auf der Klippe bei Nichols Point –, und dann fuhr Herbie, Flüche vor sich hin murmelnd, in die Stiefel, während sie auf den Hof ging und die Glocke läutete. Die Mädchen waren auf ihrem Zimmer gewesen und hatten gespielt, und nun kamen sie mit langem Gesicht und schleppenden Schritten angeschlurft. »In zwanzig Minuten, hast du gesagt«, beklagte sich Marianne.
    »Es ist was dazwischengekommen. Ich muss mit eurem Vater weg – es wird nicht lange dauern.«
    Sie konnte sehen, wie Angst in ihre Augen kroch – sie wussten, warum der Weihnachtsmann nicht gekommen war, warum die Matrosen da waren und dass Ellwood beschossen worden war –, und in diesem Augenblick hasste sie den Krieg, die ständige Anspannung und das, was sie mit ihnen machte, mehr denn je. »Kein Grund zur Sorge«, sagte sie und hörte den falschen Ton in ihrer Stimme. »Bloß eins von den Schafen. Nichts Schlimmes. Und ich erwarte, dass ihr eure Leseaufgaben erledigt, als wäre ich dabei. Und ich warne euch: Sobald ich zurück bin, lasse ich euch Nacherzählungen schreiben. Also kein Getrödel.«
    Nellie stand vor dem Tor, wo Freddie sie angebunden hatte. Sie war schweißbedeckt, und ihre Flanken bebten. Als Herbie sie sah, fuhr er zu Freddie herum. »Du bringst sie sofort in die Scheune und reibst sie ab. Und dann gibst du ihr Futter und Wasser, verstanden?«
    »Ja, Sir.«
    »Das will ich auch hoffen, in deinem eigenen Interesse.«
    Freddie führte das Pferd zur Scheune, und sie folgte ihrem Mann auf einem Pfad durch Dünen und verkrüppelte Büsche. Nichols Point war keine drei

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