San Miguel: Roman (German Edition)
zusammen.
Es begann beinahe sofort, noch in der ersten Woche. Jimmie war in der Küche und half ihr aufräumen – er stand auf einer Trittleiter und schlug Nägel in einen Dachbalken, damit sie Gerätschaften daran aufhängen konnte, die sonst nur Platz wegnahmen –, und sie hatte ihm gerade den gusseisernen Bräter gereicht, der so schwer war, dass er zwei Nägel brauchte –, als er von der Leiter sprang, ausgelassen lachte, sie in die Arme nahm und zu einem verrückten Rhythmus, den nur er hörte, mit ihr durch die Küche tanzte. Die ersten Schritte waren noch unbeholfen, beinahe als würden sie miteinander raufen, doch dann ließ sie sich führen und folgte ihm, und sie tanzten, jetzt beide lachend, zwei-, dreimal durch den Raum. Alles war so finster gewesen – und war es noch immer –, und dieser Ausbruch von Überschwang kam vollkommen überraschend. Sie fühlte sich mit einemmal lebendig, ja wie in einem Taumel. Und als sie ihn von sich stieß – so heftig, als wären sie streitende Kinder auf dem Spielplatz – und dann wieder an sich zog, so dass sie Brust an Brust standen und ihre Gesichter nur Zentimeter voneinander entfernt waren, erschien es ihr wie das Natürlichste von der Welt, ihn zu küssen. Auf den Mund. Und das war eine ganz andere Art von Kuss, durch und durch anders, gar nicht so wie damals, als er ihr wie ein Höfling die Hand geküsst hatte, als sie ihn dazu gebracht hatte, die Lippen auf ihre Füße, ihre Knöchel, ihre Waden und Oberschenkel zu drücken – dies war etwas Gegenseitiges, eine Partnerschaft, Widder und Schaf, und sie spürte so deutlich, wie sehr er entflammt war, als wäre sie in ihm wie Jonas im Bauch des Wals.
Von da an trafen sie sich, wann immer sie konnten, wenn ihr Stiefvater mit Adolph irgendwohin ritt oder er Jimmie mit irgendeinem Auftrag aufs Feld schickte und sie sich davonschleichen konnte. Anfangs befühlten sie einander durch die Kleider hindurch, ungenau und tastend, streichelnd und reibend, und erkundeten, was der andere zu bieten hatte, doch dann wollte sie ihn sehen, sie wollte wissen, wie das männliche Organ aussah, und befahl ihm, sich auszuziehen. Das war im Februar, drei Wochen nach ihrer Ankunft, und die Bedingungen waren bei weitem nicht ideal. Die Erde war nass, es war ein kühler, stahlgrauer Tag mit einer niedrigen Wolkendecke und einem Wind, der durch das Buschwerk pfiff. Sie fanden einen geschützten Platz tief in einer der ausgewaschenen Spalten, wo Felsen aufragten und ein paar Büsche, die den Schafen entgangen waren, blühten und die Luft mit ihrem Duft erfüllten. »Ich will, dass du deine Sachen ausziehst«, sagte sie. »Alle.«
Er breitete die Jacke auf dem Boden aus, so dass sie eine Art Lager abgab, zog sich eifrig und grinsend das Hemd über den Kopf und sah sie entschlossen an. Es folgten die Stiefel und die Hose, und dann stand er in Hemdhose und Strümpfen vor ihr. »Alles? Auch die Strümpfe?«
»Weiter«, sagte sie und sah ihm in die Augen. »Kein Getrödel. Worauf wartest du?«
Mit spitzen Ellbogen griff er nach hinten, um die Knöpfe zu öffnen, schlüpfte aus dem Oberteil der Hemdhose, so dass sie das schwarze, gekräuselte Haar auf Brust und Bauch sah – es bildete eine Art Kreuz –, und dann beugte er sich vor und streifte das Unterteil ab, als wäre es eine zweite Haut. Als er sich aufrichtete, Rumpf und Gliedmaßen so weiß wie Mehl, weil sie nie von einem Sonnenstrahl getroffen worden waren, sah sie es, das männliche Organ, dass sich steif aus dem dunklen Nest seines Schamhaars reckte, als wäre es ein Pfeil, der ihn getroffen hatte, hart und hölzern. Doch es war nicht hart. Oder vielmehr doch – aber auch weich. Sie nahm es in die Hände, streichelte es, rieb und drückte es, sie strich mit den Fingern an seiner Unterseite entlang bis zur Wurzel und dachte an Ida. Dies war es, was Ida in sich aufgenommen hatte, dieses bebende, von Adern durchzogene, mit Blut vollgepumpte Ding, das wie ein Tier wirkte: So war es dazu gekommen, dass ein Kind in ihrem Bauch wuchs. Aber selbst jetzt, da Jimmie vor ihr stand und sich mit offenem Mund und fest geschlossenen Augen ihren Berührungen hingab, wollte Edith sich nicht eingestehen, ja nicht einmal darüber nachdenken, wer der andere Beteiligte gewesen war, obwohl sie es wusste. Sie wusste es .
Aber Jimmie, Jimmie war ihr Spielzeug. Er war kein Widder, er war nur Jimmie, mit ganz neuen Schwächen und Bedürfnissen, und als sie gedacht hatte, ihre Beziehung hätte sich
Weitere Kostenlose Bücher