Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)
wäre es, wenn ich Euch für kurze Zeit in meine Dienste nehmen würde?“, fragte er Miraval. „Ihr könntet mich einmal in der Woche ins Schloss begleiten. Vier Ohren hören mehr als zwei. Und während ich mit der Dame, also meiner Bekanntschaft, die Rechnung durchsehe, wartet Ihr vor der Tür auf mich. Auf dem breiten Flur vor den Gemächern der Gräfin herrscht ein ständiges Kommen und Gehen. Also mit ein wenig Glück ... Natürlich dürft Ihr Euch Eure Neugierde nicht anmerken lassen. Andererseits: Zuviel Vorsicht schadet auch wieder.“
Prades Fabri wiegte den Kopf. „Einzig darauf zu warten, dass jemand zufällig von der Rocaberti spricht, das erscheint mir zu wenig."
„Ich werde dem Schicksal selbstredend nachhelfen, Herr Fabri, indem ich beispielsweise bei meiner Bekanntschaft wie zufällig das Gespräch auf diese Edelfrau bringe. Mit Bedacht natürlich, mit Bedacht - und ohne Namen zu nennen."
Als Gibel den Zweifel in den Gesichtern seiner Gegenüber sah, meinte er rasch: „Oh, oh, Senhors, keine Angst, meine ... Bekannte wird mich im schlechtesten Fall für ein übles Klatschmaul halten. Andererseits habe ich Alix von Rocaberti sogar einmal persönlich kennengelernt. Ich meine, ich erinnere mich noch genau, wie sie aussah." Er hob die Hände zur Decke. „Heilige Magdalena, dieses Weib vergisst keiner, der sie einmal zu Gesicht bekam. Selbst der gute Trencavel – der Herr sei seiner Seele gnädig - verschlang sie mit den Augen. Unter uns“, Gibel hielt die Hand vor den Mund, „es hieß seinerzeit, Alix sei ihm versprochen gewesen, nicht ihre Schwester ... Ein Ränkespiel der Mutter. Nun, was mich betrifft, so ich bin fest entschlossen, Euch zu helfen. Sollte meine Bekanntschaft allerdings ärgerlich werden, dann ..."
„Ärgerlich?“ Miraval und Fabri verstanden nicht, worauf der Bäcker hinauswollte.
„Ach, Ihr wisst doch auch, Senhors, wie das mit den Damen ist. Jede Frau ist ungehalten, wenn man vor ihr die Schönheit einer anderen lobt. Aber sei`s drum. Wenn jemand etwas herausbekommt, dann meine Bekannte. Das dürft Ihr mir glauben. Sie ist überaus vertraut mit Elize von Montfort.“
Am nächsten Morgen schlich sich Miraval noch vor Sonnenaufgang zum Dienstbotenausgang hinaus, um in Gibels Backstube zu schlüpfen. Azéma, die zweimal täglich dort Brot holte, hatte die Aufgabe, die Verbindung zu Fabri zu halten.
Mit einer weißen Haube auf dem Kopf und mehlbestäubt wie der Müller, dem er am Morgen des Markttags begegnet war, ging Miraval der Brezel zur Hand. Die Arbeit gefiel ihm sogar. Manchmal sang und dichtete er dabei - aber nur ganz leise.
Bei seinem zweiten Besuch im Schloss – beim ersten Mal hatten sie nur ihre Fühler ausgestreckt - unterlief Miraval ein ausgesprochen dummes Missgeschick. Schwer beladen, stolperte er ausgerechnet vor der Kemenate der Gräfin Elize und schlug der Länge nach hin. Dabei rutschte ihm der geflochtene Korb aus der Hand und die Köstlichkeiten - für die Gibel einen und einen halben Tag lang gearbeitet und seinen vorletzten Krug Rosenwasser geopfert hatte, wie er jetzt lautstark beklagte – landeten zerbrochen und zerbröselt auf den Fliesen.
Zimmertüren wurden aufgerissen; Ehrendamen und Mägde stürzten heraus - freilich nicht, um dem tollpatschigen Bäckergesellen wieder auf die Beine zu helfen, sondern um sich die besten Bruchstücke in den Mund zu stopfen. Andere holten Besen und Schaufeln. Das Gelächter und Geschnattere auf dem Flur war groß - Gibels Geschimpfe laut.
Miraval hatte sich gerade von seinem Schrecken erholt, als sich mit einem unangenehmen Quietschen die breite Tür zur Kemenate öffnete. Elize von Montfort trat heraus. Die Damen und das Gesinde erstarrten und verbeugten sich.
„Was ist hier los?“, fragte die Gräfin streng. Eine der Damen berichtete. Da fasste sich Gibel ein Herz. Er trat vor, warf sich in die Brust und vollzog gekonnt - Miraval staunte nur so - mit der rechten Hand einen schwungvollen Halbkreis knapp über dem Boden. Hatte ihn seine Bekanntschaft die französische Höfischkeit gelehrt?
„Verzeiht, Herrin – ein kleines Missgeschick“, sagte Gibel durchaus selbstsicher und wies auf Miraval - der sich nicht einmal verstellen musste; er sah sowieso wie ein begossener Hund aus - „mein Geselle ist alt und zuweilen ein rechter Tollpatsch", hörte er Gibel respektlos sagen.
Elize musterte Miraval missbilligend. Dann wandte sie sich an den Bäcker. „Was habt Ihr überhaupt hier oben vor meinen
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