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Sanctum

Sanctum

Titel: Sanctum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Aufschluss über ihren Besucher gestattete.
    »Wer ist da?«, wiederholte sie ihre Aufforderung an den Unsichtbaren, sich zu zeigen und ins Licht zu treten, das durch die Fenster hereinfiel. »Chi c’e?«
    Innerlich rechnete sie damit, dass sich die Bestie zeigte. Vielleicht hatte der Comte sie aufgespürt, oder vielleicht waren es seine Leute, die er gesandt hatte. Oder der schwarze Panter …
    Es tat sich noch immer nichts.
    Gregoria ging langsam auf die Finsternis zu, bis sie in der Ecke stand. Sie war leer. Der Wind hatte die Tür zugeschlagen, nicht mehr.
    Sie wandte sich um, schritt zu ihrem Arbeitstisch und schloss die Fenster; sie schreckte vor dem Gedanken zurück, nach unten zu gehen und sich eine brennende Kerze zu holen, stattdessen sammelte sie die losen Blätter im Halbdunkel ein, verteilte sie auf die Schränke und legte sie flach zum Trocknen hin.
    Gregoria hatte ihre Arbeit fast beendet und schob das letzte Papier zurecht, da hörte sie ein leises Geräusch hinter sich, dessen Herkunft sie nicht zuzuordnen vermochte; es passte weder zum Wind noch zum Regen.
    Ihre Hand wanderte wieder an den Griff des Dolches. »Herr, steh mir bei gegen die …«
    Krachend flogen die Fensterflügel wieder auf, der wütende Sturm hatte den Riegel einfach aufgerammt, zwei der kleineren Scheiben gingen zu Bruch.
    Gregoria schrie auf, wirbelte herum und riss den Dolch in die Höhe.
    Wieder stand sie nur der Finsternis gegenüber. Doch wenn sie sich nicht schwer täuschte, hatte sie eben einen lang gestreckten Schatten zum Fenster huschen sehen. Rasch eilte sie dorthin und sah hinaus.
    Nichts.
    Die umliegenden Dächer waren leer, keine Menschenseele und keine Bestien weit und breit. »Ich sehe schon Dinge, die es nicht gibt«, murmelte sie und senkte den Arm mit dem Dolch. Zum zweiten Mal an diesem Abend schloss sie das Fenster, ihre Schuhe traten in die Scherben.
    Eilige Schritte näherten sich ihrem Zimmer. »Äbtissin, geht es Euch gut?«, hörte sie die Stimme von Sarai durch die Tür.
    »Ja, danke. Der Sturm hat mir einen Streich gespielt«, rief sie zurück. »Seid unbesorgt, es ist mir nichts geschehen. Ich werde morgen nur einen Glaser benötigen.«
    »Dennoch eine gute Nacht, Äbtissin.« Die Schritte entfernten sich.
    Gregoria lächelte. »Gute Kinder.« Sie bückte sich, sammelte die Bruchstücke auf und warf sie in den unbenutzten Nachttopf.
    Dann verharrte ihre Hand. Sie hatte einen blutigen Abdruck auf dem Boden gefunden, der vom Regenwasser beinahe schon vollständig weggewaschen worden war. Gregoria besaß keinerlei Erfahrungen, was die Zuordnung von Spuren und Tieren anging, aber es sah für sie aus wie die Abdrücke einer übergroßen Katze.

    Jean hielt die Hitze, die folternd durch seinen Körper raste, nicht länger aus. Sie rührte von seiner Aufgewühltheit, seiner Erschütterung und seiner Wut.
    Die unterschiedlichsten Gedanken schossen ihm durch den Kopf. Er sah die Opfer der Bestie im Gevaudan vor sich, den toten Malesky, seinen toten Sohn. Viele Tode hätten verhindert werden können, wenn er von Florences Geheimnis gewusst hätte! Wenn er ihr Blut bekommen hätte!
    »Verdammt!«, schrie er laut gegen Wind und Regen. Es war ein Fehler, so zu denken. Antoine hätte sich niemals helfen lassen, er hatte es genossen, eine Bestie zu sein, und wäre sofort zum Comte gelaufen, um sich erneut anstecken zu lassen.
    Oder vielleicht doch nicht?
    Jean rannte stöhnend durch die leeren Gassen der Stadt, seine Haut juckte schrecklich, wehrte sich gegen den Stoff. Er riss sich die Kleider vom Leib und ließ sie achtlos hinter sich zurück. Der Regen kühlte das Brennen auf seiner Haut, er meinte sogar zu hören, wie die Tropfen zischten, wenn sie ihn trafen.
    Der Durst, der ihn plagte, war unbeschreiblich.
    Nur mit Hosen bekleidet, blieb er unter einem Wasserstrahl stehen, der sich aus einer Steinfigur an der Ecke eines Hauses ergoss, öffnete den Mund und trank gierig. Er schluckte und hustete, aber der Durst wich nicht; wenigstens kühlte ihn der kleine Wasserfall ein wenig.
    Jean kratzte sich an der Brust und wagte nicht, sich genauer zu betrachten. Er spürte, dass seine Haare überall dichter geworden waren, sogar die auf seinem Kopf wuchsen und wuchsen.
    »Nein«, wisperte er und stellte sich mitten in den Strahl. Er hob den Arm und betrachtete die gerötete Narbe, wo ihn Antoine vor seinem Tod verletzt hatte. »Nein, Herr im Himmel! Ich will das nicht! Lass mich nicht zu einer von ihnen werden!« Sein

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