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Sanctum

Sanctum

Titel: Sanctum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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dir gesagt hätte. Ein Hochstapler, mehr war der Henker nicht.«
    »Seine Kunst reichte aus, um die Verwundeten im Gevaudan davor zu bewahren, zu Bestien zu werden!«, hielt er wütend dagegen. »Was hätte ein Versuch geschadet?«
    »Versteh mich, Jean.« Gregoria sah, dass er sich immer weiter von ihr entfernte und seine Liebe zu ihr ins Wanken geriet. »Ich hatte Angst, dass Malesky und du Florence umbringen.«
    »Das hätte ich niemals tun können. Schon allein wegen Pierre«, sagte er kalt. »Aber du hast mich Antoine töten lassen, Gregoria, obwohl du von der Hoffnung auf Heilung gewusst hast.«
    »Es hätte nicht geklappt, Jean!«, rief sie inbrünstig.
    »Wir werden es niemals erfahren.« Er stand auf, ging an ihr vorbei, ohne sie anzuschauen, und verließ das Zimmer.
    »Jean?« Gregoria erhob sich und eilte ihm nach, sah ihn durch die Halle und zur Haustür hinaus in den Hof treten. »Jean!«, rief sie verzweifelt.
    Er hörte nicht auf sie, sondern stürmte in den Regen, öffnete das Tor und verschwand.
    Gregoria lief ihm nach, schaute in die Straße und entdeckte ihn nirgends mehr. Der Regen durchnässte ihr Kleid, der Wind brachte sie zum Frösteln, und sie zitterte. »Jean!«, schrie sie und hörte das Echo durch die Gassen fliegen, ohne eine Antwort zu erhalten.
    Hilflosigkeit bemächtigte sich ihrer und entlud sich in stummen Tränen. Ihre Ehrlichkeit hatte ihr den Freund geraubt, den sie dringend benötigte; und die Vorwürfe, die sie sich machte, schmerzten ihr Herz und fraßen sich nach unten durch. Es stach in ihrem Unterleib, sie beugte sich mit einem leisen Ächzen nach vorn und stützte sich am Tor ab.
    »Was ist mit Euch?« Sarai erschien neben ihr und stützte sie. »Ich habe Euch rufen hören.«
    »Mir ist … nicht gut«, antwortete sie gepresst und spürte die Krämpfe. »Bring mich zurück ins Haus, Sarai.«
    In der Halle angekommen, sandte sie die aufmerksame Seraph in ihre Unterkunft und erklomm die Treppe, um in ihr einfaches Gemach zu gelangen. Nach sieben Stufen musste sie innehalten. Ihr Herz wirbelte in ihrer Brust, Schwindel befiel sie. Ihr Kleid fühlte sich zum Bersten eng an; rasch setzte sie sich, ehe ihr die Beine vollends weich wurden und sie hinabstürzte.
    Gregoria fuhr sich über ihren Bauch. Es gab keinerlei Zweifel mehr, sie hatte empfangen. Diese eine Nacht voller Liebe und Leidenschaft hatte Konsequenzen, und sie glaubte fest daran, dass es Gottes Wille gewesen war, dass sie ein Kind in sich trug; andere Frauen in ihrem Alter bekamen längst keinen Nachwuchs mehr.
    »Du bist zu Höherem berufen«, sagte sie leise zu dem Ungeborenen. Noch konnte sie die Schwangerschaft durch ihre Kleidung verbergen, später würde sie den Bauch wegbinden und kurz vor der Geburt unter einem Vorwand aus Rom verschwinden.
    Gregoria wusste, dass man ihr eine Schwangerschaft kaum ansehen würde. Beim letzten Mal war ihr Bauch erst im achten Monat gewachsen, und hätte sie behauptet, dass es vom guten Essen kam, wäre ihren Worten geglaubt worden.
    Sie fragte sich, ob sie Jean von dem gemeinsamen Kind erzählen sollte, aber derzeit war es kein guter Einfall. »Die Zeit wird es erweisen.« Gregoria stemmte sich auf die Füße und ging die Treppe hinauf.
    Sie stand vor ihrer Tür … und hörte ein leises Pfeifen.
    Als sie die Hand nach der Klinke ausstreckte, spürte sie den Luftzug, der durch die Ritzen im Rahmen und das Schloss pfiff; der Herbstwind hatte derart an Kraft zugelegt, dass er sich selbst durch den Kitt der Fenster presste. Sie öffnete die Tür – und blieb auf der Schwelle stehen.
    Die Flügel des bodenlangen Fensters standen sperrangelweit offen, die Vorhänge wehten wie Fahnen in dem Sturm, der ungehindert in ihre Unterkunft eingebrochen war. Der Regen hatte es bis vor ihr Bett geschafft. Ihre Aufzeichnungen und Übersetzungen flatterten umher, teilweise waren sie auf die nassen Stellen im Raum gefallen und hatten sich mit Wasser voll gesogen.
    Gregoria eilte ein paar Schritte in den Raum, dann wurde sie langsamer. Sie bildete sich ein, nicht allein zu sein.
    Krachend fiel die Tür hinter ihr zu, sie drehte sich rasch um und zog ihren Silberdolch. »Wer ist da?« Sie verspürte Aufregung, aber merkwürdigerweise keine Furcht. Hätte Gott sie tot sehen wollen, wäre sie in jener Nacht im Gevaudan zusammen mit den anderen Schwestern im Kloster verbrannt.
    Die Ecke hinter der Tür lag in absoluter Finsternis. Gregoria hörte weder ein Atmen noch sonst ein Geräusch, das ihr

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