Sanctum
weiteren Werdegang der Familie in den Jahrhunderten nach der Schlacht.
»Es gibt zu viele Rotondas«, sagte Severina missmutig. »Das wird umständlich.«
Er musste gar nicht lange suchen, sondern stieß auf eine eigene Homepage der Familie. »Ich habe sie.« Eric drehte ihr den Monitor zu. »Eine Linie hat stets in den Diensten der Päpste gestanden, die andere blieb ihrem Heldenimage treu und kämpfte an den unterschiedlichsten Orten der Welt, mal als Söldner, mal als treue Soldaten italienischer Adelshäuser. Später wurden sie friedlicher und zu Kaufleuten.« Er rief eine Seite mit der Großaufnahme einer Frau um die fünfzig Jahre auf. Sie kniete neben einem schwarzen Labrador und lachte in die Kamera. »Das derzeitige Oberhaupt des Rotonda-Clans, Maria Magdalena Rotonda, lebt in Rom und ist vor zwei Jahren als italienische Managerin des Jahres ausgezeichnet worden. Ihr Cousin Giacomo ist Seelsorger in … Trastevere?« Schnell klickte er eine andere Seite zu, von der er nicht wollte, dass seine Begleiterin sie sah.
»Das ist ein Stadtteil von Rom.« Severina trat neben ihn und betrachtete die Seite. »Keine Adresse?«
Eric zuckte mit den Schultern. »Brauchen wir nicht. Wir wissen, wo sich die Firma befindet. Früher oder später wird sie dort auftauchen.« Maria Magdalena Rotonda vor ihrer Firma abzupassen war nur eine Möglichkeit, die sich bot. Eine weitere ergab sich, wie er dank der geschlossenen Website wusste, an diesem Abend, und er beabsichtigte nicht, Severina dorthin mitzunehmen.
»Sie gehen davon aus, dass diese Frau hinter der Entführung Ihrer Gemahlin steckt?«
»Der Priester vielleicht?« Eric täuschte Belustigung vor, dabei war ihm nicht nach Lachen zumute. In der derzeitigen Lage glaubte er beinahe an alles. Wenn es schon Kampfnonnen gab, wäre der Schritt hin zum Kriegermönch ein kleiner. Was die Asiaten seit vielen Jahrhunderten konnten, würde die katholische Kirche auch zu beherrschen lernen.
»Stimmt schon. Wer den Namen einer Sünderin trägt, dem ist viel zuzutrauen.« Severina zeigte ihm die Zähne – und sie wuchsen!
Vor Erics Augen wurden sie zu Reißzähnen, Severinas Kleider fielen zu Boden und sie stand nackt vor ihm. Ihr Mund öffnete sich weiter, sie heulte ihn verlangend an; nach und nach sprossen dünne Härchen aus ihrer Haut, zogen sich von ihrer Scham als deutliche Linie über den Bauch nach oben und breiteten sich nach allen Seiten aus. Ihr Kopf verformte sich, die Nase und die Kiefer wuchsen nach vorn, und sie verwandelte sich in irgendein Tier. In …
»Was? Was ist?« Ihre Stimme zerriss die Vision. Severina sah aus wie immer und betrachtete ihn beinahe mütterlich. »Sie haben ja alle Farbe aus dem Gesicht verloren.« Sie legte ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter.
Und Eric bekam von seiner Vorstellungskraft die nächsten Bilder geliefert: Er sah ihren nackten Rücken schräg unter sich, wie sie sich stöhnend vor und zurück bewegte, er spürte, wie die Wärme seine Männlichkeit umschloss, und sah, wie seine Hände ihre Hüften streichelten. Bei der Berührung veränderte sich ihre Haut, bekam wieder Härchen …
»Nein«, rief er unterdrückt, sprang auf und machte einen Schritt nach hinten. Er interpretierte seine … seine Visionen als eine Warnung: Wenn Severina länger bei ihm blieb, würde sie sich ebenfalls den Keim der Wandelwesen einfangen und in eine Bestie verwandeln. Wer weiß, vielleicht habe ich sie gestern Nacht bereits gebissen?
»Nur die Ruhe«, sagte sie behutsam. »Ich habe verstanden, dass es zwischen uns aus ist. Zweckgemeinschaft, schon vergessen? Kein Grund, diese Panik zu bekommen und durch die Gegend zu schreien, weil ich Ihnen vielleicht einen Schritt zu nah gekommen bin.«
»Das ist es nicht«, erwiderte er verstört. »Ich … ich kann es Ihnen nicht erklären.« Ohne sich mit weiteren Worten aufzuhalten, ging er zur großen Ausgangstür und verließ das Museum. Sofort wurde er von brüllendem Lärm und Abgasgestank überfallen, der Blechstrom auf der Via del Tritone war nicht versiegt.
Eric lehnte sich gegen die Beifahrertür des Porsches und setzte die Sonnenbrille auf. Sein Inneres befand sich in Aufruhr, die beiden Visionen hatten ihn erschrocken und aufgerüttelt, auch weil es ihm gefallen hatte, was er da eben vor seinem inneren Auge gesehen hatte. Er durfte es aber nicht mögen. Er musste die Bestie in sich loswerden, bevor sie das Menschliche in ihm unrettbar auffraß.
Severina folgte mit reichlich
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