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Sanctum

Sanctum

Titel: Sanctum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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…«
    »Nein, es geht schon. Ich habe eine robuste Konstitution.« Vorsichtig stemmte er sich vom Schreibtisch, sein Blut klebte darauf und war über die Seiten bis beinahe auf den Boden gelaufen. Sie hatte ihm die Kleidung am Oberkörper aufgeschnitten und in einen Eimer gelegt, er trug nur noch Hose und Schuhe. »Ich gehe duschen.« Er hielt sich am Rand fest und wartete, bis die Schwäche nachgelassen hatte. In seinem Leben hatte er mehr als einmal Silber berührt und sich auch damit verletzt, allerdings erlebte er es in dieser intensiven Form heute zum ersten Mal.
    »Was?« Sie zog die Nase hoch und rückte die Brille mit dem Oberarm gerade, weil sie die schmutzigen Finger nicht benutzen wollte.
    Seine Seite und sein Rücken taten schon nicht mehr ganz so weh. Er spürte, wie sich das Fleisch verband und die Löcher schlossen, was ihm ein schmerzhaftes Ziehen bescherte. Das verbrannte Fleisch tat sich schwer zu heilen. Dass es überhaupt heilte, war ein Geheimnis, das er ihr nicht offenbaren wollte. »Sie werden sehen.«
    Er humpelte zum Lift, seine Schuhsohlen hinterließen rote Abdrücke.
    »Setzen Sie sich an die Bar und nehmen Sie sich noch ein paar Drinks. Machen Sie den Wodka ganz leer oder nehmen Sie sich von dem teuren Whisky. Ich empfehle Ihnen den Glennfiddich Havanna Reserve. Sie haben es sich verdient.« Mit jedem Schritt, den er mühsam machte, kehrte Lebensenergie zu ihm zurück – und gleichzeitig schrie sein Körper nach einer Pause, einer Schonfrist, um sich regenerieren zu können. Eric betrat die Kabine und konnte sich schon wieder ein schiefes Grinsen abringen. »Wissen Sie, wie Sie aussehen?« Er drückte den Knopf fürs Obergeschoss. »Wie eine verrückte Metzgerin.«
    Die Tür schloss sich.
    Und er verlor das Bewusstsein.

XII.
KAPITEL

    7. November 1767, Italien, Rom
    Gregoria saß in ihrem Arbeitszimmer und betrachtete das Blatt Papier, auf dem sich die Abdrücke eines schmutzigen Fingers abzeichneten. Diese Seite über das Gevaudan hatte sie bereits übersetzt und wusste sehr genau, dass der Abdruck vorher nicht da gewesen war.
    »Herr, steh uns bei«, flüsterte sie und stand auf. »Wir sind zu wenige für die Aufgabe, die du uns auferlegt hast.« Gleich würde sie ihre neuerliche Runde durch die Armen-und Waisenhäuser Roms beginnen und junge Seelen begutachten, die für die Botschaft des Herrn empfänglich waren. Sie hatte mehrere Vorauswahlen getroffen, jetzt ging es darum, zu endgültigen Entscheidungen zu kommen.
    In den nächsten Monaten würde sie sehr viel Zeit mit den angehenden Schwestern verbringen. Für die kurze Zeit, wenn sie sich zurückziehen musste, um heimlich zu entbinden, hatte sie vorgesehen, dass sich die Seraphim um die geistige Schulung der zukünftigen Nonnen kümmerten. Sie hatte selten junge Frauen gesehen, die derart gottergeben und glaubenstreu waren.
    Gregoria schmunzelte. Ordenschwestern, die von Kriegerinnen unterrichtet wurden – so etwas hatte es wohl noch nie gegeben. Aber in diesem Haus würde alles immer etwas anders sein. Nicht zuletzt auch, weil die Novizinnen der Schwesternschaft ihren Treueid nicht auf die heilige katholische Kirche schworen, eine Institution, die von Menschen geschaffen worden und, wie Gregoria inzwischen wusste, darum durchaus fehlbar war. Nein, ihre Schwestern würden sich einzig Gott verpflichten und seinem Sohn Jesus Christus.
    Erst wenn sich Gregoria ganz sicher war, dass der Papst auch wahrhaft im Namen des Herrn predigte und sich nicht den weltlichen Interessen derer unterwarf, die ihn unterstützten, würde sie ihm selbst wieder Treue schwören. Einem Heiligen Vater, der die Jesuiten in diesen schrecklichen Angelegenheiten unterstützte, durfte sie dagegen nicht trauen.
    Sie öffnete die Tür, um Sarai zu rufen, die sie bei ihrer Wanderung von Waisenhaus zu Waisenhaus begleiten sollte, und sah Jean vor dem Kamin im Eingang sitzen. Er sah müde und erschöpft aus, es musste eine grauenvolle Nacht für ihn gewesen sein. Unsicher näherte sie sich ihm. »Jean, ich …«
    »Debora hat mir erzählt, dass es gestern sehr unruhig im Haus gewesen ist«, sprach er, ohne sich umzudrehen. »Was war los?« Er hatte keine Lust, über ihren Streit zu sprechen.
    Gregoria freute sich, ihn wieder zu sehen. Sie hatte gefürchtet, ihn durch das Geständnis verloren zu haben, und dennoch konnte sie es nicht auf sich beruhen lassen, auch wenn sie fürchten musste, ihn endgültig zu vertreiben. »Ich hoffe, dass du mir eines Tages

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