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Sanctum

Sanctum

Titel: Sanctum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Ruffo ein anständiges Leben mit Frau und fünf Kindern führte, sein Geld als Buchhalter eines Kaufmanns verdiente und abends auf dem Nachhauseweg nicht einmal anhielt, um in einer Taverne zu verschwinden. Ein unscheinbarer Römer, Ende dreißig mit bartlosem Gesicht, einem ausgeprägten Kinn und einem Leben, das ungefähr so aufregend war wie eine Fahrt auf dem ruhigen Tiber.
    Die Vorbildlichkeit drohte die Wachsamkeit der Seraphim einzuschläfern, aber Jean fand das alles zu … anständig. Wer mit dem Comte zu tun hatte, musste ein Schurke sein, ganz gleich, wie er sich nach außen gab. Er schloss nicht aus, dass Ruffo sie bemerkt hatte und er ihnen die Komödie des treu sorgenden Vaters und Gemahls vorspielte, bis sie von selbst abzogen.
    Das wird nicht geschehen.
    Lange Zeit tat sich nichts.
    Jean schälte die zweite Marone und hätte deswegen beinahe verpasst, wie ein Mann mit hohem schwarzen Hut und langem grünen Mantel die drei Stufen zur Haustür hinaufeilte und die Glocke betätigte. Um genau zu sein, riss er heftig an der dünnen Kette.
    Jean fand es auffällig genug, um einen näheren Blick zu wagen. Leider stand der Mann mit dem Rücken zu ihm und bemühte sich, die Schultern so hoch zu ziehen, dass er wenig vom Gesicht preisgab. Das machte ihn noch verdächtiger.
    Der Mann klingelte und klopfte inzwischen gleichzeitig und wollte gar nicht mehr aufhören. Unruhe breitete sich in Jean aus. Er rückte bis zur Ecke vor und drückte sich an die eisige Mauer, um besser zu sehen.
    Als urplötzlich ein Fuhrwerk die Straße entlangratterte, zuckte der Mann an der Tür herum, die Hand fuhr unter den Mantel. Die halblangen, brünetten Haare verdeckten das Gesicht etwas, doch Jean hätte diese Züge überall und jederzeit wieder erkannt, die Mischung aus Arroganz und gutem Aussehen, ein makelloses Äußeres, mit dem er Männer und Frauen täuschte.
    Er ist es! Endlich!
    François Comte de Morangiès stand keine fünf Schritte von ihm entfernt, ein unverfehlbares Ziel für einen Schützen wie ihn. Jean zog seine Pistole und legte an, um das Böse in dieser Gestalt durch eine harmlose Fingerbewegung aus der Welt zu schaffen.
    Da wurde die Tür geöffnet, Ruffo erschien kurz und zog den Comte hastig ins Innere.
    »Verflucht!« Jean steckte die Pistole wieder unter seinen Mantel. Was konnte er jetzt tun? Seine Gedanken spielten verschiedene Möglichkeiten durch, vom Warten bis zum dreisten Klingeln an der Tür. Bevor er eine Entscheidung fällen konnte, hielt eine Kutsche vor dem Haus an, ein Mann mit halblangen, dunkelbraunen Haaren stieg aus, und das Gefährt verschwand wieder.
    Beinahe hätte Jean nicht gesehen, dass es Bernini, der lange vermisste erste Kumpan des Comtes war, so schnell verschwand auch er durch die Tür. Er hatte seine Begegnung mit dem Panterwesen also doch überlebt. Jean hatte mit seiner Vermutung Recht behalten.
    Sarai kam, in Lumpen gehüllt und mit Dreck im Gesicht, der ihre Sommersprossen verdeckte, die Straße entlang und sah Jean. »Monsieur, was tut Ihr da?« Sie streckte bettelnd die Hand aus, um den Schein zu wahren.
    »Sie sind alle drei hier«, sagte er aufgeregt. »Wir müssen sofort etwas unternehmen. Lauf zurück und hol die anderen Seraphim. Und sie sollen mit Munition nicht sparen! Kein Wort zur Äbtissin.«
    Sarai nickte und rannte davon.
    Jean wartete, bis sie außer Sicht war, dann legte er beide Hände unter seinem Mantel auf den Rücken und fasste die Pistolengriffe, ohne die Waffen zu ziehen, schritt über die Straße und ging die Treppe hoch.
    Er klingelte nicht, sondern trat mehrmals wuchtig gegen die Tür. Als sie ihm geöffnet wurde, zog er die Pistolen und schlug den Knauf der einen mit Schwung gegen die Stirn der Bediensteten, die ihm aufgemacht hatte; sie brach bewusstlos zusammen und fiel auf den Kachelboden.
    Jean schob sie mit dem Fuß nach hinten, betrat die kleine Halle und drückte die Tür mit dem Rücken zu, die Arme mit den Waffen erhoben und schussbereit. Er wollte die Seraphim bei seinem Besuch nicht dabeihaben, weil er um ihr Leben fürchtete. Noch eine tote Seraph konnte er nicht ertragen. Statt also auf Verstärkung zu warten, baute er lieber auf die Überrumplung seiner Gegner.
    Das Haus war nicht überladen eingerichtet. In der schmalen Halle sah er zwei Büsten, mehr Schmuck gab es nicht; es roch nach Essen und Duftwasser.
    Jean lauschte auf Männerstimmen, um sich zu orientieren, und tatsächlich drangen sie aus dem ersten Stock zu ihm. Von dort

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