Sanctum
Herr von Kastell. Das ist normal, und ich bin es gewohnt. Es ist kein Geheimnis, dass die heilige katholische Kirche Exorzisten ausbildet und aussendet, um die Dämonen des Teufels zu besiegen.« Sie zeigte auf seinen Oberkörper. »Einen solchen Dämon, Herr von Kastell, tragen Sie in sich. Es ist einer der mächtigeren, stärkeren. Einer, der Worten und Weihwasser trotzt. Aber auch den können wir austreiben, mit dem Vermächtnis unseres Herrn Jesus Christus.«
»Alles zu seiner Zeit. Zuerst brauchen wir den Welpen.« Eric setzte zu einem weiteren Satz an und verstummte, weil ein Touristenpaar nahe an ihnen vorüberging. Sie betrachteten die Grabplatten für Erics Geschmack viel zu lange, und am liebsten hätte er sie davongescheucht.
»Ich will Lena sehen«, sagte er, als das Paar endlich weiterbummelte. »Bislang habe ich keinerlei Beweis erhalten, dass Sie sie wirklich entführt haben und sie bei Ihnen in guten Händen ist.« Er lehnte sich gegen den Rücken der Bank. »Sehe ich sie nicht, sind unsere … Verhandlungen beendet und ich mache auf eigene Faust weiter. Ich werde sie befreien und mich danach um den Welpen kümmern.«
»Sie dürfen Sie heute sehen, aber mehr nicht. Keine Gespräche, nichts, was ihre Seele, die wir gerade beruhigt haben, in Aufruhr versetzt.«
»Ich will sie berühren.«
»Das kann ich erlauben.« Faustitia nahm ihren Rosenkranz, Zeigefinger und Daumen der Rechten umschlossen eine der großen Perlen. Vaterunser.
»Wieso haben Sie sie entführt?«
»Wir haben Lena auf dem Campus der Universität vor einer Truppe von Lycaoniten bewahrt«, gab die Oberin zurück. »Leider hatten wir keine unserer Kämpferinnen vor Ort, nur eine Aufklärungseinheit, die Sie beide beschatten sollte. Sie bekam grünes Licht für den Zugriff, denn wir wussten: Wo Lena ist, sind auch Sie, Herr von Kastell.«
Eric bemerkte den militärisch-strengen Ton in ihrer Stimme, und plötzlich, ganz plötzlich sah eine Nonne mit einer kugelsicheren Weste, einem Sturmgewehr und einem Schwert nicht mehr so absurd aus. In der Kirchengeschichte gab es schon einmal, mindestens einmal eine Frau, die Krieg wie ein Mann geführt hatte. »Es ging Ihnen also nicht vorrangig darum, Lena zu heilen … Sie brauchten sie als Köder.«
»Nennen wir es eine moderne Wolfsangel.« Faustitia verzichtete ihm gegenüber darauf, die Entführung mit hehren Motiven zu rechtfertigen. »Jetzt reden wir darüber, wie man einen Welpen findet.«
»Das ist nicht so einfach. Ich schlage vor, dass Sie Emanuela noch einmal auf den Zahn fühlen. Wenn das nichts bringt, bleibt mir nichts anderes übrig, als nach Kroatien zu reisen und mich vor Ort umzuhören.« Eric gefiel dieser Gedanke überhaupt nicht.
»Bevor Sie das tun, lassen Sie uns überlegen, wer überhaupt für den Raub in Frage kommt.« Sie griff mit einer Hand an den Gürtel ihres Habits und zog einen Organizer hervor. Das moderne elektronische Gerät in den Händen einer Nonne zu sehen entlockte Eric ein kurzes Auflachen. »Ja, auch wir gehen mit der Zeit, Herr von Kastell.« Sie lachte mit. »Es wäre töricht, unseren Feinden mehr Vorteile zu überlassen, als sie ohnehin schon besitzen.« Sie drückte auf dem Display herum. »Ihre Einschätzung lautet?«
»Ich vermute, dass ich mich zuerst mit dem Orden des Lycáon angelegt habe und dann die Draufgänger der Lycaoniten angerückt sind, um sich ihr Ticket zum Werwolfdasein zu sichern. Sie hatten, wie mir Schwester Ignatia sagte, wohl schon lange vorgehabt, den Welpen zu rauben.«
»So weit sind wir auf der gleichen Spur, Herr von Kastell.« Sie tippte auf den Organizer ein. »Sie besitzen den Vorteil, sich in der Welt der Wandelwesen besser auszukennen als wir. Wir kennen Methoden, sie zu heilen und zu vernichten, aber uns fehlt der Zugang zu ihrer Welt.«
»Ich verstehe. Gott braucht einen Dämon, um den Teufel aufzuspüren. Das bedeutet, dass Sie nicht ausschließen, dass ein anderes Wandelwesen die Klauen nach dem Welpen ausgestreckt hat?« Und schon zuckte der Name Fauve durch seinen Verstand.
»Es muss eine dritte Partei sein.«
»Aber wer sagt uns, dass es nicht eine rivalisierende Einheit von Lycaoniten ist, die ihren Mitstreitern den Erfolg nicht gönnt? Ein einzelner Verräter hätte genügt«, gab er zu bedenken.
»Das stimmt ebenfalls. Doch ich bitte Sie, sich der Wandelwesen anzunehmen.«
»Wie Sie das sagen, klingt es sehr einfach.« Eric fuhr sich durch die schwarzen Haare, die von der hohen Luftfeuchtigkeit
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