Sanctum
blieb mir nichts anderes übrig, als mich zu verstecken und zu beobachten.« Sie starrte Eric feindselig an. »Der Hubschrauber befand sich schon mehrere Meter über dem Boden, als ihn eine Granate ins Cockpit traf und er in den Wald stürzte. Ein paar Bewaffnete lieferten sich ein Feuergefecht mit den Überlebenden, und ich schlich zum Wrack, um die Box zu stehlen.« Sie senkte den Blick. »Aber es gelang mir nicht. Zwei Meter war ich von dem Toten entfernt, der die Box hielt, da sprang ein Maskierter an mir vorbei und nahm sich den Käfig. Ich bekam einen Schlag gegen den Kopf und wurde erst viel später von der Suchmannschaft gefunden.« Sie schaute kurz zu Eric. »Ich habe gedacht, dass Sie tot seien. Und der Herr möge mir verzeihen: Der Gedanke erfreute mich.«
Faustitia sah sie tadelnd an, aber sie hielt dem Blick stand. Emanuela schämte sich nicht für ihre Gefühle.
»Ich verstehe das. Der Orden nennt sich schließlich nicht Schwestern der Barmherzigkeit«, meinte Eric. »Gibt es ansonsten irgendwelche Hinweise auf die Herkunft der Angreifer?«
Emanuela zuckte mit den Schultern.
»Welche Sprache haben sie gesprochen?«
»Ich habe nichts gehört.«
Eric hatte den Eindruck, dass Emanuela sich absichtlich nicht erinnerte. Das wiederum bedeutete, dass er noch einmal nach Kroatien musste, um vor Ort nach den Fremden zu fahnden. Es sei denn, es fiel ihm etwas Besseres ein. Vermutlich hatte die kroatische Polizei noch Fragen an ihn zu den Vorgängen in den Hotels. Darauf konnte er nun wirklich verzichten. »Das macht die Angelegenheit nicht wirklich einfacher für mich.«
»Wir arbeiten zusammen, Herr von Kastell«, schaltete sich Faustitia ein. »Wir besorgen Ihnen zusätzliche Informationen, Sie kümmern sich um den Welpen, sobald wir die Hintermänner ausfindig gemacht haben. Sie werden ihn zu uns bringen.«
»Und danach töten Sie mich?« Eric sprach absichtlich ruhig.
»Nein. Ich sagte es schon einmal: Für Menschen wie Sie und Ihre Freundin Lena gibt es Heilung.«
»Mein Vater hat viele Jahre damit zugebracht, an einer Formel zu arbeiten, die …«
Faustitia unterbrach ihn. »… den Fluch brechen kann? Glauben Sie mir, Herr von Kastell, was Sie und die Bestien in sich tragen, ist zu alt und zu stark, als dass man ihm mit etwas beikommen könnte, das wie die moderne Wissenschaft nichts weiter als eine Entwicklung der Menschen ist. Vergessen Sie all die Märchen über Formeln oder abstruse Rezepte gegen Lykanthropie.« Ihr Lächeln wurde beinahe arrogant. »Nein, Herr von Kastell. Auf so etwas lässt sich unser Orden nicht ein. Wir haben Besseres.«
»Und es wirkt?« Eric war alles andere als überzeugt.
»Das werden Sie bald Ihre Freundin fragen können. Lena wird die Behandlung erfahren und wieder als eine freie, reine Seele durch Gottes Welt ziehen.«
Eric begriff nach einem langen Blick in Faustitias Gesicht, dass sie nicht bluffte. Was, wenn sie Recht hatte? Wenn ein normales Leben für ihn plötzlich zum Greifen nah war, ein Leben ohne Betäubungsmittel und das Geheimnis in seinem Blut, seinem Leib und seinen Gedanken. Das machte ihm unerwarteterweise Angst. »Erst bringen wir den letzten Welpen zur Strecke«, sagte er schnell. »Dazu brauche ich das, was Sie mir nehmen wollen.«
»Ich höre die Stimme des Bösen in Ihnen, Herr von Kastell. Sie ruft um Hilfe, fleht um Gnade und bettelt um ihr Leben.« Faustitia wusste anscheinend genau, was in ihm vorging. »Aber glauben Sie mir: Sie werden sich nach Ihrer Heilung unendlich erleichtert und frei fühlen. Es wird der Lohn Jesu für Ihre guten Taten sein.« Sie schaute auf ihre Uhr. »Es ist spät geworden. Wir reden morgen weiter. Justine wird Sie in ein Hotel bringen und Sie morgen um neun Uhr von dort abholen. Wir treffen uns auf dem Camposanto Teutonico.« Sie nickte ihm zu und verschwand zusammen mit ihrem Gefolge aus dem Audienzsaal.
Eric setzte sich auf den Stuhl und sah ihnen nach, bis sich Justine in sein Blickfeld schob. Er schaute an ihrer Daunenjacke hoch. »Miststück.«
Sie grinste.
Italien, Rom, Vatikanstadt,
25. November 2004, 09.31 Uhr
Auch wenn der Vatikan von der Vielzahl der Pilger lebte, es gab Bereiche, in die nicht jeder Einlass erhielt. Zu diesen gehörte auch der Camposanto Teutonico, der deutsche Friedhof, auf den man durch ein kleines Portal links des Doms gelangte. Wer ihn besuchen wollte, benötigte einen Pass, der ihn als Mensch mit deutscher Landessprache auswies. So sehr sich Japaner, Franzosen, Amerikaner
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