Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sanctum

Sanctum

Titel: Sanctum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
Vom Netzwerk:
und sogar Italiener bemühten, an den zwei Schweizer Gardisten vor dem Eingang vorbeizukommen, sie hatten keine Chance. Es gab freundliche, aber abwimmelnde Worte über teure Sondergenehmigungen, lange Wartezeiten und weitere behördliche Auflagen. Und selbst, wenn das nicht schon genügt hätte, um die Neugierigen abzuwimmeln – welcher Normalsterbliche würde sich mit einem ungehaltenen Schweizer Gardisten anlegen?
    Für Eric besaß die strikte Einlassregelung den Vorteil, dass er Justine los war. Sie nervte ihn mit ihren Zigaretten, ihrem französischen Akzent, mit jedem Wort, das sie von sich gab. Selbst ihr Anblick und ihre Atemgeräusche erzeugten bei ihm Aggressionen.
    Mit wenigen Schritten durchmaß er die Arkaden und erreichte das Tor der hohen Friedhofsmauer, über dem das Bildnis eines Herrschers prangte, der ein Kirchenmodell in den Händen hielt. »Carolus Magnus me fundavit«, las Eric. Karl der Große hat mich gegründet. Der Friedhof war alt.
    Tatsächlich stellte sich auf dem kleinen Friedhof, der umgeben von hohen Mauern und Arkaden mehr wie ein gemütlicher Innenhof als ein Gottesacker wirkte, ein Gefühl der Ruhe bei ihm ein. Im Sommer musste es hier noch fantastischer aussehen. Die Pflanzen, die dem Winter trotzten, erlaubten eine Ahnung von der Pracht, die in der richtig warmen Jahreszeit zwischen den Gräbern wuchs und blühte. Tod und Leben vereint.
    Dicht an dicht standen die Gräber, steinerne Kreuze und Platten ragten aus den Gewächsen hervor. Auch an den Wänden, die den Friedhof einschlossen, hingen unzählige Inschriften. Mehr war von den Toten nicht geblieben; ihre Gebeine waren schon lange vom Boden zersetzt oder entfernt worden, um im Gebeinhaus aufbewahrt zu werden. Für Eric sah es aus, als schubsten und schöben sich die Gräber, um mehr Platz zu bekommen.
    Trotz der rigorosen Eingangskontrolle war er beim Gang über und an den Grabplatten vorbei nicht allein. Ungeachtet des eher bescheidenen römischen Wetters hatten es sich einige Tedeschi nicht nehmen lassen, ihren Urlaub in Rom zu verbringen und den Friedhof aufzusuchen. Eric empfand sie als ungeheure Störung. Weniger, weil er mit Faustitia verabredet war, sondern weil er die Ruhe gerne intensiver hätte auf sich wirken lassen. Er sehnte sich nach Ausgeglichenheit.
    Eric nahm sein kleines Skizzenbuch heraus, zückte den Stift und schlenderte umher. Er las die Inschriften und fand zu seinem Erstaunen auch neuere Daten, ein Grab trug beispielsweise die Jahreszahl 1970. Jahrhunderte zogen an ihm vorbei, vieles vermochte er zu entziffern, und er suchte sich absichtlich die ältesten Gräber aus, weil er bei ihnen seine Lateinkenntnisse bemühen musste. Das lenkte ihn von der letzten Nacht ab.
    Die schwarzen Stunden hatte er im Medikamentenrausch verbracht. Er hatte die alte vertraute und verhasste Unruhe verspürt, die ihn immer befiel, wenn sich der Vollmond näherte. Lieber betäubte er sich präventiv und baute ein Depot auf, als sich an drei Tagen in Folge von null auf hundert mit Gamma-Hydroxybuttersäure voll zu pumpen. Die Tropfen waren sein Heiligtum.
    Es gab auch Gutes in all dem Elend. Im Medikamentenrausch hatte er die Ereignisse der letzten Tage wieder und wieder Revue passieren lassen. In der immer gleichen Endlosschleife waren ihm ein paar Dinge aufgefallen, über die er unbedingt mit Faustitia sprechen musste. Denn einiges von dem, was Emanuela berichtet hatte, konnte nicht stimmen. Die Oberin sollte darüber Bescheid wissen.
    Eric betrachtete versonnen eine Grabplatte. Der Tod bekam für ihn plötzlich eine neue Bedeutung. Ohne die Bestie in sich wäre er verwundbar, leicht zu töten wie ein gewöhnlicher Sterblicher.
    Willst du das?, hörte er eine Stimme in seinem Hinterkopf. Die Vision von damals, als er aus Versehen das Nonnenblut gekostet hatte.
    »Prinzessin Caroline Sayn-Wittgenstein«, las die Oberin vor. Eric erschrak. Er konnte sich nicht einmal mehr daran erinnern, wann er zum letzten Mal erschrocken gewesen war, aber sie hatte es geschafft. Er schob es auf seine Nerven.
    »Interessiert Sie etwas Bestimmtes an ihr oder war es Zufall, dass Sie hier stehen geblieben sind?«
    »Zufall.« Eric nickte ihr zu. Sie trug ihren schwarzen Habit mit der schwarzen Haube auf dem Kopf, und noch immer fand er, dass sie durch den Halbschatten, der auf ihrem Gesicht ruhte, gefährlich wirkte. »Ich muss Ihnen einige Fragen stellen. Es geht um die beiden Nonnen, Ignatia und Emanuela.«
    »Ich höre?«
    »Emanuela hat

Weitere Kostenlose Bücher