Sanctus Satanas - Das 5. Gebot: Thriller (German Edition)
irgendetwas zu
unternehmen, bevor Lena nicht mindestens vierundzwanzig Stunden verschwunden
ist.«
»Ich habe sie nicht gefunden, Magda. Ich weiß nicht
mehr, was ich tun soll. Ich komme gleich nach Hause.«
Nach Hause? Auf dem Bauernhof von Lenas Tante Magda Wagner war nicht sein Zuhause. Ein
Fehler, nach Heiligenbrück zurückzukehren, David. Ein neues Leben. Die Chance
war da. Einfach alles vergessen. Aber es ging nicht. Es ging nicht. Du und dein
billiger Hass auf das Kloster und dieses Mädchen vom Tag deiner Verhaftung, das
so ganz anders ist, als du es dir vorgestellt hast.
Lena war nicht die Hexe, die Reinkarnation des
Teufels, zu der er sie während der langen Jahre im Gefängnis hochstilisiert
hatte.
Für ihn war es ein Fluch, aber für Lena eine Gnade,
dass ihre Psyche die Erinnerung an die Ereignisse von damals ausradiert hatte.
Der Himmel öffnete seine Pforten.
In Gedanken versunken hatte er das Unwetter nicht
aufziehen sehen.
Graupel trommelte jäh auf das Kirchturmdach, als wäre
der Jüngste Tag gekommen, prasselte kalt und schmerzhaft auf sein Gesicht.
Er wankte. Zu süß war die Verlockung.
Ein einziger Sprung in die Tiefe bedeutete nie wieder
Schmerzen, nie wieder Trauer, kein Buddy, der ihn vergewaltigte, niemand, der
ihn wegsperrte, keine Ängste, keine Sorgen, nur die warme dunkle Geborgenheit
der Ewigkeit.
»Tun Sie das nicht!«
Aus den Augenwinkeln sah er rechts eine Bewegung.
Völlig geräuschlos löste sich ein Schatten von dem Treppenaufgang.
Hastig wirbelte David nach rechts, fasste die
Schattengestalt bei den Armen, zog sie mit sich und schleuderte sie mit dem
Rücken gegen das schmiedeeiserne schwarze Geländer. Eine Hand an ihrer Kehle
drückte er ihren Oberkörper Richtung Abgrund.
»Hören Sie auf, Mann!« Unter dem Geprassel des
Graupelschauers klang die Stimme wie ein Röcheln.
Jetzt, wo David die Gestalt deutlicher sah, wandelte
sie sich zu einem Mann in einer dunklen Mönchskutte, und als er ihr die Kapuze
vom Kopf riss, zu Pater Maximilian.
Er ließ ihn los. »Verflucht, was tun Sie hier, Pater?«
»Das Gleiche könnte ich Sie fragen. Ich habe mich
gewundert, warum die Tür zum Kirchturm aufstand und wollte nachsehen.«
Wind fauchte ihnen in die Gesichter.
Pater Maximilian rieb sich die Kehle.
Der prasselnde Graupelschauer vermischte sich mit
feinem Regen.
»Warum wollten Sie das tun, David?«
»Was?«
»Sich umbringen.«
»Schwachsinn.«
»Wer sind Sie wirklich?«
»Der Hausmeister, wer sonst?«
»Und ich dachte schon.«
»Was?«
»Ach nichts.«
»Was, Pater?«
»Ich dachte, Sie seien jemand vom Jugendamt, den einer
der Angehörigen der Kinder hier hat einschleusen lassen.«
»Wie bitte?«
»Jetzt tun Sie doch nicht so, David, als hätten Sie es
nicht bemerkt. Pater Nathan. Er …«
»O ja, Pater Nathan. Er hat Leon erzählt, seine Mutter
würde jetzt in der Hölle schmoren, weil er nicht genug gebetet habe. Und Henrik
hat er erzählt, im Klosterkeller hause der Teufel, der ihn bald holen würde,
weil er nicht fleißig genug gelernt habe. Tatsächlich nur eine Frage der Zeit,
bis jemand vom Jugendamt hier auftaucht.«
»Sie verstehen das nicht, David. Pater Nathan ist seit
zwanzig Jahren hier. Er ist kein schlechter Mensch. Nur ein wenig …«
»Verrückt?«
»Nein, fanatisch.«
»Wo ist der Unterschied?«
Das Nachlassen des Windes bedeutete, dass das Unwetter
allmählich abzog. Der Mond tauchte den Kirchturm in sein silbernes Licht.
»Pater Jerome hat versprochen, dass er wegen Pater
Nathan etwas unternimmt. Sagen Sie mir endlich, was Sie hier oben tun, David.«
»Das geht Sie nichts an.«
»Sie wirkten vorhin sehr verzweifelt. Vielleicht kann
ich Ihnen helfen.«
»Sie wollen einem Verbrecher helfen?«
»Wie bitte?«
»Ich frage Sie das, Pater?«
»Was soll das heißen?«
»Sagt Ihnen der Name Marie Herzog etwas?«
»Nein.«
David starrte ihn an. »Helfen Sie mir, Lena zu
finden.«
18
Es
war kalt und feucht.
Das Pochen in Lenas Schädel war unerträglich.
Das Licht der Öllampe teilte die Dunkelheit des
kargen, fensterlosen Raums in Licht und Schatten.
Auf dem kalten Steinboden sitzend, lehnte sie mit dem
Rücken an der Mauer.
Ihre Hände waren auf dem Bauch gefesselt. Der Gestank
von Schimmel klebte wie Patina an ihren Schleimhäuten. Ihr Magen pumpte ätzende
Säure in ihre Kehle.
Wie lange war ich ohnmächtig? Minuten, Stunden?
Der hat mich niedergeschlagen, im Klosterarchiv neben
der Kapelle, während ich darauf
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