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Sanctus

Sanctus

Titel: Sanctus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Toyne
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diesmal wesentlich näher, im Flur, und ein Baby heulte.
    »Ich muss gehen«, sagte Bonnie und legte auf.
    *
    Liv hörte das Freizeichen und suchte verzweifelt nach der Taste für die Wahlwiederholung. Als sie die nicht fand, wählte sie zitternd von Hand.
    »Legen Sie bitte das Telefon weg.« Die Stimme war vertraut, aber vollkommen unerwartet.
    Liv hob den Blick. Arkadian stand in der Tür. In der einen Hand hielt er seine Dienstmarke, in der anderen eine Pistole. Der Lauf war auf Gabriel gerichtet.
    Liv hörte den schnellen Wählton. »Nein«, sagte sie und gab die letzten beiden Zahlen ein. »Sie werden mich schon erschießen müssen.«
    Sie hob das Mobilteil ans Ohr und starrte Arkadian an, während sie dem Klingeln lauschte.

K APITEL 113
    Bonnie stand im Schlafzimmer und lauschte.
    Weiter den Flur hinunter zerrte das Schreien ihres Babys an ihr wie ein unsichtbares Seil, doch sie zwang sich, es zu ignorieren und stattdessen auf andere Geräusche im Haus zu lauschen. Aber sie hörte nichts. Gar nichts.
    Bonnie schlich zum Schrank und öffnete ihn vorsichtig. Dann hörte sie es. Das leise Quietschen der Küchentür; Myron hatte irgendwie immer vergessen, sie zu ölen. Da unten war jemand, vielleicht Myron, der wieder an den Herd wollte. Aber warum ignorierte er dann das Baby?
    Bonnie schob ihre Hand durch die Kleider und zu einem kleinen Safe an der Rückseite des Schranks. Sie hatte ihn sich von Myron einbauen lassen, kaum dass sie erfahren hatte, dass sie schwanger war. Die Plastikhülle ihrer Dienstuniform knisterte, als sie die Finger nach dem Ziffernblock ausstreckte. Blind gab sie ihr Geburtsdatum ein und öffnete den Safe. Im Inneren lagen ihre Dienstmarke, eine Schachtel 9-mm-Patronen, zwei geladene Magazine und ihre Dienstwaffe.
    Bonnie nahm die Waffe und ein Magazin und zog die Hand aus dem Schrank. Dann schob sie das Magazin in die Waffe, bis es leise klick machte.
    Das Babygeheul wurde immer lauter und verzweifelter, und Bonnie spürte ein Kribbeln in ihren Brustwarzen; das war der Ruf der Natur. Sie hielt die Waffe vor sich, schlich zur Tür, duckte sich und spähte durch einen Spalt in den Flur.
    Niemand da.
    Das hungrige Weinen hörte nicht auf, und erste Milchtropfen flossen aus Bonnies Brust und in den BH. Bonnies Griff um die Waffe lockerte sich ein wenig. Vielleicht waren das ja nur ihre Hormone; vielleicht bildete sie sich das alles nur ein. Sie war müde – daran bestand kein Zweifel –, und ihr Beschützerinstinkt machte vermutlich Überstunden. Sie lauschte noch einmal und kam sich immer dümmer vor. Sie wollte schon aufstehen, doch da hörte sie es.
    Ein leises Knarren auf der dritten Treppenstufe.
    Dann noch eines auf der fünften.
    Myron hatte immer gescherzt, dass man in diesem Haus nicht schleichen konnte.
    Myron!!!
    Gütiger Gott, wo ist Myron?
    Bonnie lugte noch einmal durch den Spalt und versuchte, die Treppe zu sehen. Hoffentlich war er es, dachte sie; hoffentlich wollte er nur nach den Kindern schauen.
    Plötzlich begann auch das zweite Baby zu weinen. Ein leichter Brandgeruch stieg Bonnie in die Nase, und dann sah sie ein Bild wie aus der Hölle.
    Es war ein Mann. Groß. Bärtig. Er trug eine rote Windjacke und hatte die Kapuze über den Kopf gezogen. In der Hand hielt er eine Pistole, die dank eines Schalldämpfers geradezu obszön lang wirkte. Sein Blick huschte zwischen dem Kinderzimmer, wo die Babys schrien, und der teilweise geöffneten Schlafzimmertür hin und her.
    Bonnie starrte den Mann an. Sie hielt den Lauf ihrer Waffe an den Spalt und zielte so gut es ging. Auf der Akademie hatte sie natürlich auch eine Schießausbildung genossen. Sie hatte gelernt, in einem Gebäude nach feindlichen Zielen zu suchen, und sie ging alle paar Wochen auf den Schießstand, um nicht aus der Übung zu kommen. Doch nichts von alledem hatte sie auf das hier vorbereitet. Bonnie verstärkte ihren Griff um die Waffe und beobachtete den Mann. Er legte leicht den Kopf auf die Seite und lauschte dem Schreien, wie auch sie es getan hatte.
    Plötzlich klingelte das Handy wieder. Bonnie erschrak, und der Dämon raste mit Furcht erregender Geschwindigkeit auf sie zu. Sie sah nur noch die rote Jacke, als der Kerl sich mit vorgehaltener Waffe durch den Spalt beugte und seinen Blick durch den Raum schweifen ließ.
    Bonnie zielte höher. Sie sah, wie der Mann den Kopf senkte. Und dann schaute er ihr in die Augen.
    Bonnie feuerte dreimal in rascher Folge, die Augen zum Schutz vor den Splittern

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