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Sanctus

Sanctus

Titel: Sanctus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Toyne
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muss man ja glauben, ein Gott unter Menschen zu sein. Aber stellen Sie sich einmal vor, was passieren würde, sollte diese Leben spendende Kraft aus dem Berg befreit und auf der ganzen Welt verteilt werden. Stellen Sie sich einmal vor, was es hieße, nie mehr Dünger auf die trockene Erde streuen zu müssen«, sagte er und deutete zum Fenster hinaus und auf die Kistenstapel. »Bereits ein einziger Kern könnte ganze Landstriche genauso fruchtbar machen wie den Schattengarten in der Zitadelle. Wüsten würden sich in blühende Gärten verwandeln, Einöden in Wälder. Unsere langsam sterbende Erde würde neugeboren werden.«
    Liv starrte ihn offenen Mundes an. Das war tatsächlich etwas, für das ihr Bruder sein Leben geopfert hätte. Als sie sich das letzte Mal gesehen hatten, hatte er ihr gesagt, er glaube, aus gutem Grund verschont worden zu sein. Vielleicht war er jetzt gestorben, um ihr die fünf Kerne zukommen zu lassen. In jedem Fall schuldete Liv es ihm herauszufinden, ob die Kerne irgendeinen Wert besaßen oder nicht. Sie steckte die Hand in die Tasche und tastete nach ihrem Handy. Es dauerte einen Moment, bis ihr wieder einfiel, wo sie es gelassen hatte. »Ich hatte Arkadians Nummer im Handy gespeichert«, sagte sie und schaute zu Gabriel.
    Gabriel lächelte, zuckte mit den Schultern, und Liv errötete wieder und wandte sich von ihm ab.
    »Seine Kontaktdaten stehen am Ende der Datei«, sagte Kathryn und beugte sich über den Tisch, um die relevanten Dokumente zu öffnen. Liv ließ ihren Blick durch den Raum schweifen und suchte nach einem Telefon. Dabei wanderte ihr Blick auch über den Fernseher, und sie erstarrte, als sie das Bild eines lächelnden Mannes hinter dem Nachrichtensprecher sah. »Hey«, sagte sie überrascht und besorgt zugleich. »Ich kenne den Kerl.«
    Alle drehten sich zum Fernseher um und schauten in das lächelnde Gesicht von Rawls Baker.

K APITEL 109
    Als Athanasius das Gewölbe der Philosophie erreichte, wurde er wieder langsamer, und als er dann links von sich ein Licht sah, hielt er schließlich an.
    Einen Moment lang schaut er sich das Licht nur an; dann ging er still und leise darauf zu. Schließlich erreichte er eine Ecke und spähte um sie herum.
    Zuerst konnte er nicht erkennen, wer da in dem Licht stand, so sehr war er inzwischen an die Dunkelheit gewöhnt; dann jedoch erkannte er erleichtert, wer es war.
    Vater Thomas stand auf halbem Weg das Regal hinunter neben Bruder Ponti, der über einem Lesetisch kauerte, hinter sich sein Karren voller Staubwedel und Tücher. Er machte einfach mit der Arbeit weiter, und dabei schien er das ungewohnte Licht noch nicht einmal zu bemerken, das ihn umgab.
    Athanasius ging am Regal entlang auf die beiden zu und räusperte sich. »Bruder Ponti! Vater Thomas!«, rief er mit unnatürlich lauter Stimme nach der langen Stille. »Ich habe also doch etwas gehört.«
    Ponti hob den Kopf und starrte Athanasius mit seinen leeren weißen Augen an. Thomas lächelte. Auch er war sichtlich erleichtert.
    Im Kontrollraum am Haupteingang verschmolzen die zwei Punkte wieder miteinander, und das Programm tauschte erneut deren Identität und löschte sich dann selbst.
    »Es läuft gerade eine Sicherheitsübung«, sagte Thomas in sachlichem Ton. Athanasius zog leise vier gefaltete Blatt Papier aus dem Ärmel. »Wir sollten jetzt wohl besser zum Ausgang gehen, oder was meint ihr?«
    »Geht ihr nur«, erwiderte Ponti. »Die Hälfte der Zeit werde ich ohnehin übersehen. Wenn ich dazu aufgefordert werde, gehe ich auch; aber bis dahin mache ich erst einmal mit meiner Arbeit weiter.«
    Athanasius nahm sich das größte Buch auf dem Tisch und legte die gefalteten Papiere hinein. »Wie du willst, Bruder Ponti«, sagte er. »Dann werden wir auch nicht erwähnen, dass wir dich gesehen haben.« Sie drehten sich um und nahmen das Licht mit.
    »Das weiß ich zu schätzen, Bruder. Das weiß ich wirklich zu schätzen«, sagte der alte Mönch mit seiner trockenen Stimme und wurde wieder von der Dunkelheit verschluckt.
    Athanasius schaute auf den Umschlag des Buchs, das er sich genommen hatte. Es handelte sich um Also sprach Zarathustra von Friedrich Nietzsche im deutschen Original, und nun enthielt es auch noch Abriebe der Ketzerbibel. Die Versuchung, es zu öffnen und sich die Seiten anzuschauen, war fast unerträglich; aber das war zu riskant. Der Wächter und Vater Malachi konnten jeden Augenblick wieder zurückkehren. Also war es besser zu warten, bis der Alarm vorüber war

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