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Sanctus

Sanctus

Titel: Sanctus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Toyne
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hatte, herausgemeißelt aus dem Fels ... wie die Zitadelle.
    »Nein«, beantwortete er Mariellas Frage nun. »Ich habe gehofft , dass sie etwas verändern würde, aber wirklich geglaubt habe ich das nicht.«
    »Und was ist mit dem Mönch? Glauben Sie, er wird etwas verändern?«
    Oscar schaute ihr in die Augen. »Ja«, sagte er. »Ja, das glaube ich.«
    Mariella beugte sich vor und küsste ihn auf die Wange. »Dafür habe ich gebetet«, sagte sie. »Und jetzt werde ich dafür beten, dass Sie recht behalten.«
    Plötzlich kam Unruhe im vorderen Teil der Kapelle auf.
    Eine kleine Gruppe Betender kniete am Altar, und ihr Flüstern wehte durch die Kapelle wie eine immer stärker werdende Brise. Dann löste sich ein Mann aus der Gruppe und kam auf Oscar zu. Oscar erkannte ihn als Jean-Claude Landowski, den Enkel des französischen Bildhauers, der das Gebilde errichtet hatte, in dessen Fundament sie gerade beteten. Jean-Claude blieb bei jedem Gemeindemitglied stehen und flüsterte ein paar Worte.
    Oscar sah, wie die Leute auf Jean-Claudes Neuigkeiten reagierten, und auch Mariella hatte das nicht übersehen. Sie packte seine Hand. Oscar wollte es gar nicht hören.

K APITEL 20
    «Okay«, begann Reis in ruhigem Ton. »Fall Nr. 18694-E. Die Uhrzeit ist 10.17 Uhr. Anwesend sind ich selbst, Dr. Bartholomew Reis von der städtischen Pathologie, sowie Inspektor Davud Arkadian von der Polizei Trahpah. Bei dem Subjekt handelt es sich um einen noch nicht identifizierten kaukasischen Mann von schätzungsweise fünfundzwanzig Jahren. Größe ...« Er zog das im Tisch eingebaute Stahlmaßband aus. »... ein Meter achtzig. Der erste Augenschein entspricht den Augenzeugenberichten, wie sie in der Akte festgehalten sind: schwere Traumata nach einem Sturz aus großer Höhe.«
    Reis runzelte die Stirn und drückte auf den roten Knopf, um die Aufnahme anzuhalten.
    »Hey, Arkadian«, rief er in Richtung Kaffeemaschine, »warum haben sie das eigentlich ausgerechnet Ihnen aufs Auge gedrückt? Der Kerl ist von einem Berg gesprungen und hat das nicht überlebt. Soweit ich das beurteilen kann, gibt es da nicht viel zu ermitteln.«
    Arkadian atmete langsam aus. »Interessante Frage.« Er goss zwei Becher Kaffee ein. »Unglücklicherweise hat der gute Mann sich nicht still und heimlich in seiner Garage erhängt, sondern seinen Freitod zu einer öffentlichen Angelegenheit gemacht.« Er griff nach der Milch und goss sie in einen der Becher. »Und unser Mann hier ist nicht einfach von irgendeinem Berg gesprungen; er hat sich den Berg dafür ausgesucht. Und Sie wissen ja, wie sehr die da oben es hassen, wenn irgendetwas ... nennen wir es ›Nicht-Familienfreundliches‹ da oben passiert. Sie glauben, das würde die Menschen davon abhalten, unsere schöne Stadt zu besuchen, und das wiederum würde den Verkauf von Grals-T-Shirts und Wahres-Kreuz-Stickern nachhaltig beeinträchtigen, und das mögen die hohen Herren ganz und gar nicht. Also muss es wenigstens so aussehen, als würden sie alles Menschenmögliche tun, um diesen tragischen Vorfall aufzuklären.«
    Er gab Reis einen sehr weißen Kaffee in einem sehr schwarzen Becher.
    Reis nickte bedächtig. »Deshalb muss also ein Inspektor ran.« Er schlürfte an seinem Milchkaffee.
    »Genau. Auf diese Art können sie dann eine Pressekonferenz abhalten und verkünden, nach eingehenden Untersuchungen festgestellt zu haben, dass ein Kerl, der sich wie ein Mönch gekleidet hat, von der Zitadelle gesprungen und gestorben ist. Es sei denn natürlich, Sie finden etwas anderes heraus ...«, fuhr Arkadian fort.
    Reis trank noch einen Schluck Kaffee und gab den Becher dann dem Inspektor zurück.
    »Nun denn«, sagte er und startete die Aufnahme wieder, »schauen wir mal.«

K APITEL 21
    Umgeben von Papierstapeln in den unterschiedlichsten Sprachen saß Kathryn Mann in ihrem Büro im zweiten Stock. Ihre Tür stand wie immer auf, und so hörte sie die Schritte draußen, das Klingeln der Telefone und Gesprächsfetzen, wann immer jemand vorbeikam, um seinen Arbeitstag zu beginnen.
    Kathryn hatte jemanden in den Obsthain geschickt, um die Freiwilligen zurückzuholen. Sie selbst wollte mit ihren Gedanken und Gefühlen erst einmal allein sein; im Augenblick hätte sie eine Diskussion über tote Bienen schlicht nicht ertragen. In der Antike hatte man das Verhalten von Tieren und Naturphänomene gerne als Omen gedeutet. Kathryn fragte sich, wie die Alten wohl die ›übernatürlichen‹ Ereignisse gedeutet hätten, die

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