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Sanctus

Sanctus

Titel: Sanctus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Toyne
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Autopsien, er wusste nur nicht, warum man ihn ausgerechnet zu dieser gerufen hatte.
    Reis steckte eine Haarsträhne unter seine OP-Mütze, loggte sich in den Rechner neben dem Tisch ein und legte eine neue Datei an. »Was denken Sie? Wegen der Schlinge, meine ich«, fragte er.
    Arkadian zuckte mit den Schultern. »Vielleicht wollte der Mann sich ja aufhängen, hat sich dann aber gedacht, das sei zu billig.« Er knüllte das Papier seines Müsliriegels zu einem Ball und warf es durch den Raum, wo es vom Rand des Papierkorbs abprallte und unter einen Tisch rollte. Alles klar: Das war einer dieser Tage. Arkadian schaute zu dem Fernseher an der gegenüberliegenden Wand. In den Nachrichten liefen gerade Bilder, die den Mönch auf dem Gipfel zeigten.
    »Das ist wirklich neu für mich«, sagte Arkadian und hob die Papierkugel wieder auf. »Erst schaue ich mir die Show im Fernsehen an; dann geht’s an die Autopsie ...«
    Reis lächelte und drehte den Computermonitor zu sich herum. Schließlich setzte er sich ein Headset auf, bog das Mikrofon zurecht, drückte eine Taste, und eine MP3-Datei wurde direkt in die Datei des Falls eingebunden.

K APITEL 19
    Oscar de la Cruz saß im hinteren Teil seiner Privatkapelle. Unter einem dunkelbraunen Leinenanzug trug er noch immer seinen typischen weißen Rollkragenpullover. Er hatte den Kopf leicht gesenkt und sprach ein stummes Gebet für den Mönch. Oscar wusste noch nicht, dass der Mann tot war. Dann öffnete er die Augen wieder und schaute sich an dem Ort um, den zu bauen er vor mehr als siebzig Jahren geholfen hatte.
    Die Kapelle war vollkommen schmucklos; es gab noch nicht einmal Fenster. Das sanfte Licht stammte von einem Netz versteckter Lampen, und es wurde nach und nach heller, je höher man blickte – ein kleiner architektonischer Trick, um den Blick nach oben zu lenken. Das hatte er sich bei den großen gotischen Kathedralen in Europa abgeschaut. Manche mochten das ja Ideenklau nennen, doch Oscar war der Meinung, dass die Europäer noch weit mehr von ihm und seinem Volk gestohlen hatten.
    Oscar sah noch gut zwanzig andere Leute, die hier beteten, Nachtschwärmer wie er, Angehörige der geheimen Gemeinde, die auch die Nachrichten gehört hatten und hierhergekommen waren, um darüber nachzudenken, was dieses Zeichen wohl für sie zu bedeuten hatte. Die meisten von ihnen kannte er, einige sogar ziemlich gut, doch ihre Kirche stand ja auch nicht jedem offen. Nur wenige Menschen wussten überhaupt, dass sie existierte.
    Mariella saß nicht weit von ihm entfernt. Sie war in ihre eigenen Gedanken versunken und murmelte ein Gebet in einer Sprache, die noch weit älter war als Latein. Als sie fertig war, drehte sie sich zu Oscar um.
    »Wofür betest du?«, fragte er.
    Mariella lächelte und blickte nach vorne, wo ein großes Tau über dem Altar hing. In all den Jahren, da sie hierherkamen, hatte sie ihm diese Frage nie beantwortet.
    Oscar erinnerte sich noch gut an das erste Mal, als er dem schüchternen achtjährigen Mädchen begegnet war, das jedes Mal errötete, wenn er mit ihm gesprochen hatte. Damals war die Kapelle noch jung gewesen, und die Statue, in die sie gebaut war, war die Hoffnung ihres ganzen Volkes gewesen. Nun hielt ein Mann auf der anderen Seite der Welt sie in seinen ausgestreckten Armen.
    »Als Sie diesen Ort gebaut haben«, flüsterte Mariella und lenkte Oscars Aufmerksamkeit wieder auf den Raum, »haben Sie da wirklich geglaubt, das würde etwas verändern?«
    Oscar dachte darüber nach. Die Statue von Christus dem Erlöser war auf seine Anregung hin gebaut worden und mit Hilfe von Geld, das vor allem er aufgetrieben hatte. Sie war dem brasilianischen Volk als Symbol seines festen katholischen Glaubens verkauft worden; dabei war sie in Wahrheit der Versuch, die Prophezeiung einer weitaus älteren Religion zu erfüllen.
    Das Eine Wahre Kreuz wird auf Erden erscheinen
    Und alle werden es in einem Augenblick sehen und staunen.
    Als die Statue nach neun Jahren Bauzeit schließlich enthüllt worden war, waren überall auf der Welt Bilder von ihr erschienen. Das war zwar nicht ein einziger Augenblick gewesen, aber alle hatten sie gesehen und gestaunt.
    Doch nichts war geschehen.
    In den folgenden Jahren war ihr Ruhm dann noch gewachsen und noch immer nichts passiert – zumindest nicht das, worauf Oscar gehofft hatte. Er hatte nichts weiter gebaut als eine Touristenattraktion. Sein einziger Trost war, dass er auch eine geheime Kapelle ins Fundament der Statue gebaut

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