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Sanctus

Sanctus

Titel: Sanctus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Toyne
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wissenschaftlichen Austauschprogramms war er vor vier Jahren aus England gekommen, wobei ihm durchaus geholfen hatte, dass er einen türkischen Vater sowie eine doppelte Staatsbürgerschaft besaß. Ursprünglich hatte er nur sechs Monate bleiben sollen, doch irgendwie hatte er es nie geschafft zu gehen. Sein langes Haar war ebenfalls schwarz, allerdings nicht von Natur aus, sondern aufgrund von Färbemitteln, und es rahmte sein bleiches Gesicht ein wie ein Vorhang. Aber trotz seiner eher düsteren Erscheinung war er in der Polizei von Trahpah als der fröhlichste Pathologe bekannt, den man je gesehen hatte. Reis pflegte das wie folgt zu erklären: Er war zweiunddreißig Jahre alt, verdiente gutes Geld, und während die meisten Gothics nur davon träumen konnten, mit dem Tod Geld zu machen, war ihm das gelungen.
    Der zweite Mann schien sich hier weit weniger wohl zu fühlen. Er stand ein Stück hinter Reis und kaute auf einem Müsliriegel, den er in seiner Tasche gefunden hatte. Er war größer als Reis, sah aber irgendwie verknittert aus. Sein grauer Sommeranzug fiel ihm locker über Schultern, die unter dem Gewicht von zwanzig Jahren Dienstzeit eingesunken waren. Sein dichtes, dunkles Haar war mit silbernen Strähnen durchzogen und umrahmte ein kluges Gesicht, das irgendwie amüsiert und traurig zugleich aussah. Dass er dazu noch eine halbmondförmige Brille auf der Adlernase trug, ließ ihn mehr wie einen Geschichtsprofessor im Ruhestand als wie einen Kriminalbeamten erscheinen.
    Inspektor Davud Arkadian war so etwas wie ein Kuriosum bei der Polizei von Trahpah. Dank seiner unzweifelhaften Fähigkeiten hätte er eigentlich schon längst zum Chefinspektor befördert werden müssen – mindestens. Stattdessen hatte er jedoch den größten Teil seiner Karriere zusehen müssen, wie weit schlechtere Männer vor ihm aufgestiegen waren, während er in der anonymen Masse der Kriminalbeamten stecken blieb, die nur darauf warteten, dass sie in Pension gehen konnten. Arkadian war zu gut dafür, viel zu gut, doch zu Beginn seiner Karriere hatte er eine Entscheidung getroffen, deren Auswirkungen ihn bis heute verfolgten.
    Dabei hatte er auf den ersten Blick nichts Schlimmes getan. Er hatte nur eine Frau kennengelernt, sich in sie verliebt und sie geheiratet. Doch so einfach war das nicht.
    Ein glücklich verheirateter Kriminalbeamter war ja schon selten genug, aber Arkadian hatte seine Frau auch noch kennengelernt, als er bei der Sitte gearbeitet hatte. Als er seine Zukünftige zum ersten Mal gesehen hatte, war sie eine Prostituierte gewesen, die als Kronzeugin gegen die Männer hatte aussagen sollen, die sie aus dem Ostblock eingeschleust und dann versklavt hatten. Als Arkadian sie zum ersten Mal gesehen hatte, war sie die tapferste, schönste, aber auch die verängstigtste Frau gewesen, die er je gesehen hatte. Es war sein Job gewesen, sich bis zum Prozess um sie zu kümmern. Oft scherzte er, irgendwann müsse er sich die Überstunden wirklich mal ausbezahlen lassen, denn zwölf Jahre später mache er den Job immer noch. Im Laufe dieser Jahre hatte Arkadian ihr dabei geholfen, von den Drogen loszukommen, von denen die Kerle sie abhängig gemacht hatten, und er hatte ihr Schulgeld bezahlt, damit sie ihre Lehrerausbildung abschließen konnte, damit sie endlich das Leben führen konnte, das sie von Anfang an hätte führen sollen. Im Herzen wusste Arkadian, dass das das Beste war, was er je getan hatte, doch sein Kopf kannte auch den Preis dafür. Hochrangige Polizeibeamte durften nicht mit ehemaligen Prostituierten verheiratet sein, egal ob die sich nun von ihrem einstigen Leben losgesagt hatten oder nicht. Also war er Inspektor geblieben, ein Rang, wo er die Öffentlichkeit nicht fürchten musste, und nur dann und wann bekam er einen Fall, der seinen Fähigkeiten entsprach; meistens erhielt er jedoch jene, an denen sich seine Vorgesetzten nicht die Finger verbrennen wollten.
    Arkadian betrachtete den zerschmetterten Körper des toten Mönchs und nahm jede Einzelheit in sich auf. Die Kriminaltechniker hatten den Toten auf Spuren untersucht, ihn aber nicht entkleidet. Der grobe Baumwollstoff der Soutane war dunkel von getrocknetem Blut, und die Arme, mit denen der Mann so lange ein Kreuz geformt hatte, lagen nun an seiner Seite. Um die rechte Hand hatte er sich eine Schlinge gelegt. Offenbar war das der Strick, den die Mönche für gewöhnlich als Gürtel trugen. Arkadian legte die Stirn in Falten. Er hatte kein Problem mit

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