Sand & Blut
du denkst, dass ich auch verrückt bin, hast du dafür gesorgt, dass ich kein Wiederholungstäter werde. Dann hast du zwei Verrückte an einem Tag erledigt. Wirklich kein schlechter Schnitt dafür, dass du neu im Rachegeschäft bist«, sagte Vincent.
Meike musste gegen ihren Willen lächeln.
»Warum hast du die Tropfen genommen, wenn du glaubst, dass ich dich damit umbringen will?«, fragte sie.
Vincent öffnete mühsam die Augen. Das Mittel wirkte schon und seine Antwort klang schleppend.
»Weil ich dachte, wenn du bis jetzt nicht gemerkt hast, dass ich nicht wie Konny bin, dann habe ich versagt und außerdem habe ich wirklich schlimme Dinge getan. Ich habs verdient. Also wollte ich es dir überlassen. Deine Entscheidung.«
»Böse Jungen sind meistens nur traurige Jungen. Hab ich mal in einem Roman gelesen«, sagte Meike.
»Den hätte ich vielleicht auch lesen sollen.« Vincent konnte die Augen nicht mehr offen halten.
»Morgen wirst du sehen, dass ich die Wahrheit gesagt habe. Denk dran. Es ist unecht. Es gibt kein Richtig mehr.«
»Stimmt«, murmelte Vincent. »Hatte ich vergessen.«
Meike blieb noch eine Weile neben ihm sitzen. Als sie sicher war, dass er tief schlief, stand sie auf. Konrad lag noch tot auf dem Boden und es gab viel zu tun.
Meike schob den Körper des Toten bis zur Treppe, dann ließ sie ihn los und Konrad rutschte mit einem unspektakulären Platschen ins Wasser. Erschöpft setzte sich Meike auf den Boden. Sie hatte ihren Kommilitonen gekillt und gerade im Meer entsorgt. Und das kam ihr fast normal vor.
Ich drehe langsam durch. Oder?
Sie klappte die Treppe ein und ging dann nach vorne, um den Anker zu lösen. Es war besser, die Position über Nacht zu halten und nicht ins Nirgendwo abzutreiben.
Sie schaute nicht noch mal nach Konrad und ging wieder nach unten. Vincent lag reglos auf der Couch und sie konnte sich jetzt endlich um sich selbst kümmern.
Wenig später stand sie unter der Dusche. Sie seifte sich immer wieder ein, bis sie sich langsam wieder wie ein Mensch fühlte. Ihre Gedanken wanderten zu Konrad. Er musste im Wasser ausgeharrt haben und als Vince die Treppe herunter ließ, hatte er sich angeschlichen. Meike erschauerte. All die Jahre hatte sie nicht erkannt, was in Konny steckte. Gut, er war leicht reizbar gewesen und das mit Doreen hatte nur funktioniert, weil sie ihm nicht widersprach und ihn bedingungslos anbetete. Meike hatte dieses Verhalten stets als Heiratsklüngel abgetan. Aber was, wenn sie damit falsch lag? Es konnte andere Gründe gegeben haben ... vielleicht duldete Konny einfach keine Widerworte ...
Ihr wurde schlecht, wenn sie darüber nachdachte, was sie alles übersehen hatte. Sie, die Psychologiestudentin. Wenn sie wieder zu Hause war, würde sie als Erstes eine Studierpause einlegen. Ein Semester aussetzen. Sie brauchte Abstand von den ganzen Leuten, die sie kannte. Vielleicht hörte sie auch ganz auf zu studieren oder sie wechselte das Fach. Das konnte sie später entscheiden. Sicher war nur, dass sie im Moment dieses Gerede über die menschliche Psyche nicht ertragen konnte. Das hatte so wenig mit dem echten Leben zu tun wie ... ihr fiel kein guter Vergleich ein. Diese ganze Theorie, diese analytischen Gedanken, kamen ihr jetzt lächerlich vor. Wahrscheinlich, weil sie sich noch in der unechten Welt aufhielt, aber das würde bald vorbei sein.
Mit einem Handtuch um den Kopf und ihrem Jogging-Anzug bekleidet, ging Meike zurück ins Wohnzimmer. Vincent lag immer noch in tiefem Schlaf auf dem Sofa. Er sah nicht älter aus als achtzehn und sie konnte nicht fassen, dass er im Wachzustand so erwachsen gewirkt hatte. Abgesehen von den Morphintropfen, hatte seine erschöpfte Seele ihn betäubt. Er war völlig am Ende. Dabei musste sie ihm zugestehen, dass er versucht hatte, sich unter den gegebenen Umständen fair zu verhalten.
Meike stellte sich vor, wie es sich anfühlen mochte, anderen so lange etwas vorzuspielen, das alles vorzubereiten, um dann endlich den Plan umzusetzen. Er war kein Mördertyp, im Gegensatz zu Konny. Es war ihm schwergefallen, das zu tun, was in seinen Augen gerecht war. Und vielleicht war es gerecht. Eine vorauseilende Gerechtigkeit, um Schlimmeres in der Zukunft zu verhindern. Doreen und Till ... wessen Opfer sie waren, konnte Meike auch nicht sagen. Vincents, Konnys, Opfer eines Schicksals, das sie selbst zu verantworten hatten?
Und Konny ... sie hatte ihn getötet. Würde man ihr die Notwehr-Geschichte glauben?
Warum hat
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