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Sandor Marai

Sandor Marai

Titel: Sandor Marai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Fremde
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hob Askenasi auf
der Bank Geld ab, ging ins Pfandhaus, verhandelte mit den Maklern und hatte
selbst immer eine größere Summe in der Brieftasche; das meiste, was er an
Vermögen besaß, machte er in diesen Monaten zu Geld. Als er sich von Eliz
trennte, stellte er überrascht fest, daß er trotz seiner unregelmäßigen
Lebensweise kaum etwas ausgegeben hatte.
    Es wäre ein
sinnloses Unterfangen gewesen, sich zu erkundigen, wovon Eliz lebte, ob sie
denn gar nichts brauche; auf ihr Leben Einfluß zu nehmen oder es »in Ordnung«
zu bringen war nicht recht möglich, aber es bestand auch keine Notwendigkeit
dazu. Eliz’ Leben und alles, was damit zusammenhing, war in Ordnung, so wie es
war; Ratschläge zu erteilen wäre genauso überflüssig gewesen, wie zu versuchen,
einen Löwen zu überzeugen, es sei gesünder, sich in Zukunft pflanzlich zu
ernähren. Oder einen Mönch zu überreden, ein weltliches Leben zu führen, weil
das vergnüglicher sei.
    Eliz machte
keine Fehler, sie lebte in ihrer eigenen Welt und ihrem eigenen Klima, dessen
Bereich sie nie verließ, selbst wenn sie dann fror oder unter sengender Hitze
litt. Ihre Landsleute, die Russen – lauter sehr berühmte, sehr reiche und
vornehme Russen –, behandelten sie mit tiefem Respekt, obwohl Eliz’ Vater kein
geflohener Prinz, sondern Fischhändler in Kiew gewesen und schon vor der
Revolution verstorben war. Im übrigen wußte Eliz nicht viel über Rußland und
hatte auch gar keine Sehnsucht danach.
    Sie hatte
nie Sehnsucht; vollständig ausgefüllt von den kleinen Ausflügen, die sie zu
jeder Tages- und Nachtzeit zu sich selbst unternahm, war sie immer der
Überraschungen gewärtig, die in der Wildnis auf sie lauern mochten.
Unerschütterlich wie eine Amazone reiste sie in dieser unsichtbaren Welt; und
wenn eine unerwartete Begegnung sie doch erschreckte, setzte sie sich bleich
an den Frisiertisch, hängte
einen Schleier über den Spiegel und betete oder zankte. Askenasi fragte
niemals, wo sie zu »tanzen« pflegte und was für Tänze das überhaupt waren, ob
sie etwa kultische Tänze vorführte oder Cancans in irgendeinem Orpheum. Auch
hielt er es für wahrscheinlich, daß Eliz schon sehr viele Männer gekannt hatte,
und vielleicht nicht nur Männer, sondern auch Frauen und Krokodile. Nichts, was
lebte, war ihr fremd. Es hätte ihn auch nicht überrascht, wären eines Tages die
Wächter der Sittenpolizei bei Eliz aufgetaucht und hätten sie gezwungen, ein
gelbes Papier in der Tasche zu tragen wie die traurigen Mädchen der käuflichen
Liebe.
    Eliz hatte
ein verwandtschaftliches Verhältnis zu den Tieren, sie führte lange Gespräche
mit Fliegen, auf der Straße liefen ihr die Katzen nach; doch er hatte auch
schon gesehen, wie sie mit Bettlern verhandelte, vertieft diskutierte und sie
später mit in die Wohnung nahm, wo sie aufgeregt mit ihnen feilschte und sie
dann ohne Almosen wegschickte; sie stand mit allem, was lebte, in guten
Beziehungen. Zugleich löste sich alles um sie herum ein wenig auf: unter dem
Einfluß ihrer Gegenwart begannen die Dinge im Zimmer zu wandern; lebende und
tote Materie veränderte ihren ursprünglichen Aggregatzustand, wenn Eliz sie in
ihren Dienst nahm.
    Meistens
war sie guter Laune, sie liebte reichliches Essen, am frühen Morgen schleppte
sie Askenasi in die Markthalle, wo sie alles in die Hand nahm, kostete,
beschnupperte und sich gar nicht genug über die
Vielfalt und den Erfindungsreichtum der Natur freuen konnte; wie ein Parvenü,
der alles haben will, doch sie war nicht der Parvenü einer
Gesellschaftsschicht, sondern des Lebens, gierig schnappte sie nach allem, was
glänzte oder roch oder gut schmeckte und wovon sie noch nichts abbekommen
hatte. Sie lebte innerhalb der Grenzen ihrer eigenen unsichtbaren Welt, war
jedoch den Freuden und Überraschungen der realen Welt gegenüber keineswegs
gleichgültig oder unempfänglich.
    Auch auf
Formen gab sie viel; sonntags nahm sie Askenasi beim Arm, und sie gingen in die
Kirche, wo sie mit gesenktem Haupt lange kniete und betete. Eliz legte Wert
auf Förmlichkeiten, doch ungefähr so wie eine Eingeborene, die am englischen
Hof vorgestellt wird; zeitweise vergaß sie selbst die elementarsten Regeln
guten Benehmens, ein andermal war sie eine Spur feierlicher, weltgewandter
und vorsichtiger, als es die gesellschaftlichen Vorschriften verlangt hätten.
Gefühlsduselei kannte sie nicht.
    Sie war
jung, doch ihre Schönheit war frühzeitig vom weltlichen Leben modelliert
worden;

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