Sandor Marai
letzten
Moment, im Geiste irgendeiner stillschweigenden und von allen respektierten
Übereinkunft, wichen sie zurück und begannen von etwas anderem zu reden,
meistens sehr geistreich. Wie die Gäste, die die Säle und Zimmer der fremden
Wohnungen füllten, waren auch die Gastgeber sehr berühmte oder sehr reiche und
unbedingt außergewöhnliche Leute; nur hatte Askenasi bis dahin ihre
Namen noch nie gehört und tröstete sich damit, daß das nicht viel bedeute, denn
die Welt war überaus groß und dicht bevölkert, und er hatte eben die
Gesellschaftsnachrichten der Zeitungen bislang nicht aufmerksam genug gelesen.
Oft gingen
sie in Restaurants oder Bars, wo sie sich wieder nur mit diesen berühmten und
anscheinend vielerorts heimischen Menschen trafen, mit denen man den Abend so
großartig verbringen konnte; und Askenasi staunte manchmal, was für eine
einfache Sache es war, angenehm Konversation zu machen. Dunkel argwöhnte er,
daß »sprechen« nicht das gleiche war wie »sich unterhalten« – und im
allgemeinen hatten die Wohnungen, das Gebaren dieser Menschen und auch die Art,
wie sie sprachen, etwas Unwirkliches, Unnahbares, als würde er sie im Kino
hören und sehen, als würde er gar nicht mit Menschen aus Fleisch und Blut sprechen,
die sich in drei Dimensionen bewegen. Doch Eliz, die selbst zu dieser Welt
gehörte, wagte er von diesem Verdacht nichts zu sagen, auch sie war anscheinend
berühmt, denn sie wurde immer gefeiert und mit großer Freude empfangen; nur
konnte er nicht herausfinden, wo, wann und warum Eliz berühmt war.
Alle
behandelten ihn höflich und freundlich, doch ohne besonderes Interesse, wie
einen Gast auf der Durchreise, der vielleicht morgen schon weiterfährt und auf
den allzuviel Zeit und tiefschürfende Aufmerksamkeit zu verschwenden sich
nicht lohnt. Bei diesen Besuchen beschlich ihn häufig das Gefühl,
daß er nach dem Abendessen am liebsten die Rechnung verlangen würde, daß es angebracht
wäre, etwas zu bezahlen. Wie imaginär diese Umwelt wirkte, so greifbar, klotzig
waren die Überraschungen, mit denen sie hin und wieder aufwartete. Wochenlang
wohnten sie im Hotel, dann zogen sie eines Tages in eine Wohnung, wo Möbel und
Personal, Zofe und Butler auf sie warteten. Allerdings war Askenasi auch davon
nicht sonderlich überrascht. Vom Moment an, als er mit der Fremden die Schwelle
des drittklassigen Hotels überschritt, war für ihn alles selbstverständlich,
es hätte ihn nicht gewundert, wären im Morgengrauen Detektive erschienen und
hätten sie beide verhaftet, und hätte sie eines Nachmittags der päpstliche
Nuntius in ihrem Hotelzimmer besucht, im Kardinalspurpur, mit roten
Handschuhen, und sich mit Eliz, die er seit langem kannte und schätzte,
freundlich zu unterhalten begonnen, hätte er auch das nicht vollkommen
unbegreiflich gefunden. Alles, was um Eliz herum geschah, war trivial und
bedeutungslos, wenn er es mit den Ereignissen verglich, die sich in Eliz’ wahrer
Welt pausenlos abspielten – mit den unsichtbaren atmosphärischen Ereignissen,
Regen, Hitze, Wüstenwind und Schnee, die sie umgaben; jedenfalls behauptete sie
das. Dieses seltsame Klima ermüdete Eliz zuweilen, und dann gingen sie
tagelang nicht aus dem Haus, empfingen keine Besucher, egal, was für ein
berühmter Textschreiber, Bisamrattenzüchter oder Börsenspekulant der
Betreffende sein mochte. Dann kleidete sich Eliz ihrem inneren Wetter gemäß;
einige Tage trug sie zu Hause Pelz, bibbernd, hinter geschlossenen
Fensterläden, als würde sie durch dichtes Schneetreiben wandern, ungeachtet des
warmen, sonnigen Septembers draußen; doch auch den Winter nahm sie nicht zur
Kenntnis, legte im Dezember ein Schwimmtrikot an und sonnte sich stundenlang
vor dem Kamin.
Askenasi
wunderte sich nicht, als Eliz in eine Wohnung zog und Butler und Zofe
beschäftigte; wahrscheinlich war dergleichen bei ihr nur eine Frage des
Entschlusses. Eines Tages bat sie ihn, zur Bank zu gehen und einen von ihr
unterschriebenen Scheck einzuwechseln, der über einen hohen Betrag auf
Askenasis Namen ausgestellt war; das Geld, eine vergleichbare Summe hatte er
noch nie in den Händen gehabt, wurde unverzüglich ausbezahlt, und auch daß
Eliz reich war, fand er ganz natürlich; doch schon nach einigen Tagen bat Eliz
ihn um Geld, um einen unbedeutenden Betrag, und wenig später gab sie ihm
Schmuckstücke und erklärte ihm genau, wieviel er im Pfandhaus dafür verlangen
sollte. Gehorsam und neugierig, ohne sonderliche Erschütterung
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