Sandor Marai
fortging und
dann wiederkam. Krämergeist, dachte er verächtlich. Ein Feilschen, Geschäft.
Der Körper hatte nie die richtige Antwort verraten, irgend etwas hielt er
zurück, verschwieg er. Mit der Kostprobe der Lust reizte er den, der sich nicht
mit solchen bescheidenen und billigen Erfrischungen begnügte und völliges
Vergessen oder volle Wachheit verlangte, jedenfalls das Ganze, worum es gehen
konnte, worum es vielleicht irgendwann gegangen war.
Es wird
sehr schwer werden, sann er, als würde er die Schwierigkeiten einer geplanten
Arbeit abschätzen. An fremde Türen klopfen ... wie unappetitlich. Der
Ausdruck überraschte ihn. An Türen klopfen ... , dachte er wieder. Er
erinnerte sich nicht, ihn jemals gebraucht zu haben. Als hätte er ein
Warnsignal empfangen, rappelte er sich hoch. Er trat zum Fenster, die
Landschaft schwamm im grauen Dampf, die Insel war nur noch als dunkles Gebilde
ohne bestimmbare Formen zu erkennen.
Jetzt, wo
Eliz nicht mehr da ist, kann ich eigentlich jeden fragen. Auch den Portier.
Oder die Aschblonde, die sich umgedreht hat. Die Frau aus Nummer
zweiundvierzig. Zwoundvierzig. Er hörte ihre Stimme. »Zimmernummer
zwoundvierzig, man geht hin und klopft an die Tür. Eine fremde Tür.K
Er grinste.
Während er darauf achtete, das Grinsen auf seinem Gesicht zu bewahren, stellte
er sich vor den Spiegel und betrachtete es aufmerksam. In seiner Kindheit hatte
er das oft gespielt. Ernst und streng besah er seinen grinsenden Mund. Er zündete
eine Zigarre an, doch sie schmeckte ihm nicht; er legte die brennende Zigarre
auf den Aschenbecher und vergaß sie dort. Er glaubte ein Klicken zu hören. So
klickt der Verschluß eines Armreifs. Er horchte. Ein Armreif, das war ein
Kreis. Ein Kreis, der sich schloß; es konnten auch Handschellen sein. Aber
»klickten« Handschellen? ... Er wußte es nicht, er hatte noch nie welche
gesehen. Er ging zum Tisch, setzte sich, er befürchtete, die paar luftigen,
vagen Signale könnten sich auf einmal verflüchtigen.
Das sind
nur Worte, dachte er, und gleich darauf höhnisch: Nur? Und was sonst noch?
Worte, nur ...? Angestrengt konzentrierte er sich auf die kleinen
Signale, er bemühte sich, keines von ihnen zu vergessen. An Türen klopfen,
fremde Tür, zoroundvierzig, Klicken, Armreif, Kreis, der sich schließt.
Vielleicht Handschellen. Langsam begann er sich anzukleiden. Indem man an
eine fremde Tür klopft, dachte er, während er sich vorsichtig das Hemd überzog,
hat man sich noch zu nichts verpflichtet. Sie verzeihen, Gnädigste. Ich
heiße Askenasi. Entschuldigen Sie, sollte ich mich geirrt haben.
Er begann
leise zu pfeifen. »Es scheint, der Herr hat ein Abenteuer vor, trallala«, sang
er leise. »Ein schönes kleines, flüchtiges Abenteuer. Wir sind in einem Hotel,
am Meeresufer. Eigentlich habe ich mich nach so etwas immer schon gesehnt. An
Schwerem gab es schon genug. Jetzt bin ich bereits achtundvierzig. Man macht
Urlaub, an irgendeinem kleinen Ort, eine Frau geht im Hotel die Treppe hinauf,
sieht sich um ... So etwas habe ich mir immer schon gewünscht. Es hat keine
Bedeutung. Eine nette, angenehme Sommererinnerung.«
Er rieb
sich freudig die Hände, warf die Krawatte vom Vormittag von sich und holte eine
andere hervor, eine, die noch Eliz gekauft hatte. Er knüpfte sie mit großer
Sorgfalt, trat zurück und betrachtete zufrieden sein Spiegelbild. Eine Minute
Erholung, dachte er,
wird vielleicht erlaubt sein? Ich habe es wirklich verdient. Reisepaß und
Brieftasche steckte er sorgfältig ein. Man muß mit fremden Frauen aufpassen,
dachte er klug. Es gibt auch Abenteurerinnen unter ihnen.
Er stutzte.
Zu einem Abenteuer ist wahrscheinlich eine Abenteurerin das richtige. Und ein
Abenteurer. Jetzt sah er den Kreis wieder scharf, alles war an seinem Platz,
der Hotelkorridor, die fremde Tür, an die man klopft, wenn man ein Abenteuer
sucht. Die Polizei nimmt den Abenteurer fest und legt ihm Handschellen an. Die
Worte griffen ineinander, paßten zusammen, brauchten gar nicht zurechtgerückt
zu werden – wahrscheinlich hatten sie lange auf den Moment ihres Erscheinens
gewartet, wie Bilder im Traum, auf einmal drängen sie sich auf, bekommen einen
Sinn, formen sich zu Bildern und Sätzen. Doch welchen Sinn könnten sie haben?
In der Tür hielte er inne, Hut und Handschuhe in der Rechten.
Nun, was
ist der Sinn der Bilder? Vor allem der Traum, in dem sie erscheinen. Das andere
Gebiet, das sie bevölkern. Der Sinn der Worte ist nicht nur ihre
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