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Sandor Marai

Sandor Marai

Titel: Sandor Marai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Fremde
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Bedeutung,
sondern auch das Gebiet, das sie erhellen. Man bricht im Dunkeln auf, nur
einige Worte leuchten ... – und er ging langsam los. Er stieg die Treppe
hinunter und pfiff ganz leise. »Vor der fremden Tür ...K Er blieb
stehen, lauschte, hörte nichts, er blickte um sich, er war allein. »...
leise klopft er ...K Und er klopfte. Mit leicht vorgebeugtem Oberkörper
lauschte er, schelmisch lächelnd sah er vor sich
hin, »er drückt die Klinke nieder ...« Er drückte die Klinke nieder. »Es
klickt etwas ...« Das Türschloß klickte. »... der Kreis schließt sich
...« Er trat in das Zimmer und schloß die Tür hinter sich.

Ein
Lügner
    Später beteuerte der Portier heftig, es
sei bereits nach fünf Uhr gewesen, als Askenasi das Hotel verließ. Er
behauptete entschieden, daß der fremde Herr ihm »noch Bescheid gesagt« habe,
sie hätten kurz miteinander gesprochen, der Gast habe sich entfernt, um im
Reisebüro die Schlafwagenfahrkarte zu lösen. Askenasi erinnerte sich nicht an
dieses Gespräch. Der Porzellanfabrikant, der am Nachmittag auf der Terrasse
Karten spielte, begegnete dem Fremden viel später, nach Sonnenuntergang beim
Hoteleingang, und es fiel ihm dessen »seltsames Benehmen und aufgeregtes
Gehabe« auf. Er habe schon lange nicht mehr einen so aufgeregten Menschen
gesehen, sagte er; ebendeswegen habe er ihn gründlich in Augenschein genommen,
ihm nachgesehen und den Kopf geschüttelt, denn der Fremde sei mit
»fluchtartigen Schritten« und mit einem großen Gepäckstück in der Hand Richtung
Stadt geeilt.
    Vergebens
erklärte Askenasi, daß er sich im Zimmer zweiundvierzig nur kurze Zeit aufgehalten
habe, vielleicht acht oder zehn Minuten, dann sei er in das obere Stockwerk
zurückgegangen und habe sich im Zimmer umgesehen, doch auch dort sei er nur
kurz geblieben und habe das Hotel bereits einige
Minuten vor vier verlassen, und zwar ohne irgendein Gepäckstück, und der
Portier habe ihn gar nicht gesehen.
    Er verstand
die überflüssigen Fragen nicht, verstand nicht, warum sie ihn drängten, »alles
zu gestehen«, warum sie neugierig auf jede Minute waren, wo er doch das
Wesentliche bereits gesagt hatte? Doch sie fuhren ihm über den Mund, wenn er
davon anfing. Seinem Geständnis schenkten sie nicht viel Beachtung; die erste
Untersuchung wurde von einheimischen Gendarmen geführt, die sich, wie in
solchen seltenen Fällen üblich, um jeden Preis auszuzeichnen gedachten, sie
nahmen jede Läpperei zu Protokoll und glaubten selbstverständlich jedermann
eher als Askenasi.
    Alle
machten sich wichtig, schwatzten, jeder wußte über die Einzelheiten genauer
Bescheid, und von dieser großen und entbehrlichen Beflissenheit fühlte sich
Askenasi schließlich gekränkt und schwieg trotzig.
    Bitte,
dachte er, wenn ihr alles besser wißt ... Und er war pikiert. Die
Glaubwürdigkeit seines Geständnisses wurde auch dadurch gemindert, daß er »vom
Schauplatz der Tat geflohen war« – so feierlich drückte sich der
Polizeioffizier aus, der die Untersuchung leitete –, man habe ihn regelrecht
verfolgen müssen, er sei »auf der Flucht« ergriffen worden.
    Das
Protokoll wurde noch mit vielen derart ungerechten und überflüssigen Einzelheiten
ausgeschmückt, was Askenasi die Laune schließlich völlig
verdarb, er gab wortkarge Antworten und verstummte letztlich ganz. Auch das
Gepäckstück, das der Porzellanfabrikant bei Askenasi gesehen haben wollte,
wurde ins Protokoll genommen – niemand hatte eine Ahnung, auch später nicht,
was sich darin befunden haben und was er damit gemacht haben könnte –, und auch
den aufgeregten Worten des Portiers schenkte man Glauben, der schwor, er habe
noch gegen fünf mit Askenasi gesprochen und es sei ihm aufgefallen, wie »ruhig,
fast gut gelaunt« er gewesen sei. (Die Gendarmen nahmen auch Askenasis Ruhe und
gute Laune mit Mißbilligung zur Kenntnis, als Zeichen besonderer Grausamkeit
und Verworfenheit.)
    Der
Porzellanfabrikant sah es anders: Seiner Beobachtung nach hatte sich Askenasi
»seltsam und aufgeregt« benommen. Überhaupt wurde jeder vernommen, der sich
meldete und »etwas bemerkt« hatte – denn überraschenderweise stellte sich
plötzlich heraus, daß Askenasi zu den bekanntesten Männern der Stadt gehörte,
mehrere Dutzend Zeugen hatten ihn am fraglichen Nachmittag gesehen, sogar mit
ihm gesprochen, wunderbarerweise kannte ihn plötzlich jeder, er war an den verschiedensten,
weit voneinander entfernt gelegenen Punkten der Stadt gesehen worden,

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