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Sandor Marai

Sandor Marai

Titel: Sandor Marai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Fremde
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herausgefallenen
Gebiß oder den, wo mich ein Pferd niederrennt, sich auf meine Schultern kniet
und mich ins Gesicht beißt ... Mehr zu sagen ist schon unmöglich. Auch mit Eliz
habe ich alles besprochen – was der Körper sagen kann, haben wir
besprochen. Aber das war alles nur Konversation.
    In der
Ferne, in der Zeit versunkene Bilder fielen ihm ein. Er sah seine früheste
Jugend, die ersten Frauen, zufällige Geliebte, die ihn von den symbolischen
Freuden des Körpers kosten ließen, und es traten merkwürdige Augenblicke in
Erscheinung, die er in den Armen dieser oder jener Frau erlebt hatte, halb
besinnungslos und noch immer neugierig, ob vielleicht noch etwas käme ...
Dieses »Etwas«, der Sinn so viel bitterer Praxis, der Sinn der Worte, Blicke,
körperlichen Berührungen, des Sehnens, war das letzte, einzige Wort, war Antwort
auf die Fragen, die die Körper einander stellten. Und dieses Wort ließ immer
auf sich warten.
    Eine
Rothaarige fiel ihm ein, er hatte sie in Grenoble kennengelernt, bei einem
Studienaufenthalt; wie lange war das her, vielleicht dreißig Jahre; er fühlte
den heißen, gesunden Duft ihres jungen Mundes, den sich in seinen Armen windenden
graziösen Körper. Sie treffen sich am Nachmittag; vor den zur Hälfte
heruntergelassenen Jalousien baden große Platanen im Sonnenschein, goldenes
Licht fällt in eine Ecke des Zimmers ... Sie haben sich auf dem Boden
ausgestreckt, nackt, fast ohne Besinnung, er ist vielleicht achtzehn ... Ihr
Bein liegt auf seiner Brust, so ruhen sie nach der Vereinigung, lange,
benommen; und auf einmal packt er sie und schüttelt sie mit beiden Händen,
kniet vor ihr und fleht: »So sag doch endlich ...« Die junge Frau kommt langsam
zu sich und beginnt zu
zittern; dann bricht sie in Tränen aus, nun knien beide auf dem Boden, vor dem
Bett, einander gegenüber, mit gefalteten Händen, als würden sie beten, und die
Frau schreit unter krampfhaften Zuckungen, schuldbewußt und außer sich: »Ich
weiß es nicht ... Ich erinnere mich nicht ...« Das beruhigt ihn – Wenigstens
sagt sie die Wahrheit, denkt er.
    Später
sitzen sie am Bettrand, wie Adam und Eva nach dem Sündenfall, mit gesenktem
Kopf, bibbernd in ihrer Nacktheit, sie fassen sich an den Händen und sprechen
leise. Er bittet sie, sich zu erinnern, es doch wenigstens zu versuchen, sie
soll die Augen schließen ... sie kann es doch unmöglich vergessen haben.
    Er, der
Mann, hatte seit Jahrtausenden anderes im Kopf gehabt, er eroberte die Welt und
spekulierte, kein Wunder, daß er das vergessen hatte ... Doch für die
Frau gab es nichts anderes zu tun, sie beschäftigte sich ständig damit, beobachtete
und erinnerte sich – sie soll nur nachdenken, es wird ihr schon einfallen. Und
später, als sie schweigt, fallen sie verbittert von neuem übereinander her –
ein Beobachter würde glauben, sie befänden sich in der Ekstase der Liebe –,
doch was sind das doch für sonderbare Bewegungen, diese Bewegungen der Liebe!
Was sonst ist dieses Beißen, Krallen, Würgen, dieses verzweifelte Hämmern an
verschlossener Tür, mit Fäusten, Zähnen und Nägeln, dieses ergrimmte Wühlen im
fremden Körper, was sonst ist es, von außen betrachtet, als eine große
Szene der Wut, der Züchtigung, der Abrechnung.
    »Sie
lieben einander?« könnte
ein Besucher von einem anderen Planeten angesichts der »Liebesszene« erstaunt
fragen, »wie sind sie erst, wenn sie einander böse sind?« Tatsächlich, jeder
scheint vom anderen etwas zu fordern, würgend, zupakkend, beißend, ganz in den
anderen eintauchend, röchelnd und aufstoßend: »Sag es doch! ... Wo hast du
es versteckt? ... Warum gibst du es nicht heraus? ... Warum schweigst du?« Menschenliebe
äußert sich vielleicht doch zärtlicher, geschmeidiger; nur Bestien, die auf
Leben und Tod um die unsichtbare fette Beute raufen, fallen auf diese Weise
übereinander her.
    Er zündete
sich eine Zigarette an. Um ihn herum herrschte jetzt weniger Gedränge, und er
konnte zwischen zwei Tischen, hinter dem Geländer der Mole, das Meer sehen.
Die Musik verstummte, die Musiker hüllten ihre Instrumente in Leinenüberzüge,
die Paare machten sich Arm in Arm auf den Heimweg.
    Ach geht
nur, dachte Askenasi, und wie jemand, der am Ziel ist, der vom Baum der
Erkenntnis gegessen hat, stützte er die Ellbogen bequem auf den Tisch, blies
Rauchringe in die Luft und sah den umschlungen davongehenden Verliebten nach.
Geht nur nach Hause, ins Bett oder zu Tisch, und kostet weiter vom Trank

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