Sandra und die Stimme der Fremden
nicht.“
„Wie auch immer, Herr Seibold. Ich bin Ihnen dankbar, daß Sie herkamen, um mich über den Zustand der alten Dame zu informieren. Als ihr einziger Verwandter muß ich mich ja wohl um sie kümmern. Wir werden einen schönen Platz in einem Altenheim für sie finden, wo sie gut aufgehoben ist.“
„Wer soll das bezahlen? Ihre Tante erhält nur eine kleine Rente“, wandte Florian Seibold ein.
„Das lassen Sie nur meine Sorge sein“, beruhigte ihn Richard Arnold.
Ich traue dir nicht, dachte Florian Seibold. Du bist mir zu aalglatt, fragst überhaupt nicht nach Einzelheiten, beschließt Dinge, die danach klingen, als ob sie schon längst beschlossen worden wären.
„Es ist schön, daß Sie Ihrer Tante helfen möchten“, sagte Florian Seibold und tat beeindruckt. „Allerdings halte ich eine Übersiedlung in ein Altenheim nicht für durchführbar. Ihre Tante wird sich dagegen sträuben. Ich sehe im Augenblick auch gar keinen Grund für diese Maßnahme. Ich bin nur hergekommen, um Sie darüber zu informieren, in welchen Schwierigkeiten Ihre Verwandte sich befindet. Ich dachte, Sie könnten sich vielleicht mit den Firmen, bei denen die anonymen Bestellungen aufgegeben wurden, in Verbindung setzen, um herauszufinden, wer dahintersteckt. Seltsamerweise handelt es sich vor allem um Verbrauchsgüter, um Lebensmittel und Futtermittel, die sie erhält.“
„Weshalb hat sie nicht die Polizei eingeschaltet?“
„Wahrscheinlich scheut Ihre Tante die Aufregungen.“
„Wissen Sie, was ich fast glaube?“ Herr Arnold wiegte bekümmert den grauen Kopf. „Ich zweifle an diesen anonymen Lieferungen. Ich würde mich nicht wundern, wenn meine Tante die Waren bestellt, geistig verwirrt wie sie ist. Es hat schon öfter Fälle gegeben, wo alte Leute in einer Art krankhafter Angst zu verhungern Lebensmittel horteten. Meine Tante meint natürlich, auch für ihre Tiere Vorsorgen zu müssen. Jeder Psychiater würde bestätigen, daß sie in eine geschlossene Anstalt gehört.“
Obwohl Herr Seibold selbst zunächst diese Möglichkeit nicht ausgeschlossen hatte, ärgerte es ihn, so krasse Worte aus Arnolds Mund zu hören.
„Ich teile Ihre Ansicht nicht, Herr Arnold“, erwiderte er heftig. „Da Sie Ihre Tante seit Jahren nicht gesehen haben, können Sie Ihren Zustand sicher nicht ganz richtig beurteilen. Ich bin hergekommen, um Ihre Hilfe zu erbitten und nicht, um Ihrer Tante neue Unannehmlichkeiten zu bereiten . .
„Aber, verehrter Herr Seibold“, unterbrach ihn der Schreinermeister, „ich möchte meiner Tante ja helfen. Ich überlege nur, was das beste für sie ist. Und Sie wollen doch nicht bestreiten, daß eine fast achtzigjährige Frau mit diesem großen Grundstück und mit dem verwahrlosten Haus überfordert ist?“
„Vielleicht haben Sie recht“, pflichtete Florian Seibold ihm bei, um der Sache ein Ende zu machen. „Ich fürchte nur, daß Ihre Tante sich nicht freiwillig von ihrem Haus und ihren Tieren trennen wird.“
„Es wird sich schon ein Weg finden lassen“, versicherte Arnold ihm gönnerhaft.
Florian Seibold kam eine Idee. „Bevor Sie etwas unternehmen, lassen Sie es mich bitte wissen. Ich berate Ihre Tante nämlich juristisch“, sagte er abschließend, stand auf und setzte Susi ab.
Als er sich aufrichtete, begegnete er einem ausgesprochen feindseligen Blick des Schreinermeisters.
Doch einen Moment später hatten sich dessen Gesichtszüge wieder entspannt, und er reichte Florian Seibold mit einem breiten Lächeln die Hand. „Gut, sehr gut. Ich bin im Augenblick geschäftlich etwas überfordert. Da ist es mir eine Beruhigung zu wissen, daß jemand da ist, der sich meiner Tante annimmt.“
Er beugte sich zu Susi hinunter, um sie zu streicheln. Doch Susi wich knurrend vor ihm zurück. Sein Geruch schien ihr nicht zu behagen.
„Ist er bissig?“ fragte Herr Arnold.
Nur, wenn sie jemanden nicht leiden mag, da ergeht es ihr wie mir, war Florian Seibold versucht zu antworten. Laut sagte er: „Sie gibt gern an. Aber man kann bei ihr nie wissen...!“
„Ja, ja, die Dackel!“ sagte Herr Arnold lachend.
Er öffnete Herrn Seibold die Tür und verabschiedete ihn.
„Fassen wir also zusammen“, sagte Florian Seibold, nachdem er, nach Hause zurückgekehrt, Sandras und Joschis Bericht gehört und ihnen und Frau Ansbach den Verlauf seines Besuches bei Richard Arnold geschildert hatte.
Sie saßen im Wohnzimmer.
Frau Ansbach hatte Feuer im Kamin angezündet gegen die kalte Luft, die am Abend
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