Sandra und die Stimme der Fremden
anders.“
„Ist sie hübsch?“ fragte Lorenz.
„Das auch“, erwiderte Ruhwedel.
Frau Ansbach streckte ihren Kopf ins Zimmer und bat, den Patienten nicht zu überanstrengen.
Die Beamten standen auf.
Florian Seibold reichte Ruhwedel die Hand. „Danke, daß Sie hergekommen sind. Grüßen Sie meinen Freund Kresser. Und Sie kümmern sich um die alte Dame von nebenan, ja?“
Ruhwedel versprach es ihm.
Er suchte Frau Ansbach in der Küche auf und erkundigte sich, wann Sandra zu Hause anzutreffen sei.
„Es ist gleich eins. Sie wird jetzt zu Mittag essen. Aber das können wir feststellen“, sagte Frau Ansbach und wählte die Nummer ihrer Tochter.
„Sandra“, sagte sie, als ihre Enkeltochter sich meldete. „Oberinspektor Ruhwedel möchte dich sprechen. Bleib zu Hause. Er kommt gleich bei dir vorbei.“
„Steht es so schlimm um Herrn Seibold?“ fragte Sandra erschrocken. Ihre Großmutter hatte ihre Familie am Abend zuvor über den Überfall auf Herrn Seibold informiert.
„Nein, nein, keine Sorge! Herr Ruhwedel ermittelt in der Sache Katzen-Marie.“
„Aber das fällt doch gar nicht in sein Ressort“, wunderte sich Sandra.
„Die Herren meinen, daß ein Zusammenhang zwischen dem Überfall und der Warenlieferung besteht.“
*
„Es ist immer dasselbe mit diesen Amateurdetektiven. Sie schalten erst dann die Kripo ein, wenn sie nicht weiter wissen und nahezu alle Spuren verwischt sind“, sagte der Oberinspektor zu Lorenz, als sie stadteinwärts fuhren. „Der Exanwalt leidet zuweilen an einer Art Pensionierungskoller. Dann versucht er sich als Kriminalist. Daß das für ihn nicht immer ungefährlich ist, hat er jetzt an dem Überfall auf sich erlebt. Aber ob ihm das eine Lehre sein wird?“
„Und diese Detektivin?“ fragte Lorenz.
„Die ist auch ein Problem“, sagte Ruhwedel schmunzelnd. „Aber sie verheimlicht uns wenigstens keine wichtigen Informationen. Und ich sage mir, es ist besser, mit ihnen zusammenzuarbeiten, als erkennen zu lassen, daß sie uns lästig sind. Dann schalten sie auf stur. Ehrlicherweise muß ich zugeben, daß Sandra und Herr Seibold uns schon oft wertvolle Dienste geleistet haben.“
Lorenz war gespannt, die hübsche Detektivin kennenzulernen.
Erwartungsvoll stand er neben dem Oberinspektor vor Sandras Wohnungstür.
Joschi öffnete ihnen.
„Hallo! Auch wieder mit von der Partie?“ begrüßte ihn Ruhwedel lächelnd, wechselte einen kräftigen Händedruck mit ihm, und machte ihn mit Lorenz bekannt.
„Sandra ist im Badezimmer. Ich soll Sie ins Wohnzimmer führen“, sagte Joschi und ging voraus.
„Der kleine Bruder?“ fragte Lorenz halblaut.
„Der Freund“, gab Ruhwedel schmunzelnd zurück.
Lorenz hatte sich noch nicht von dieser Überraschung erholt, als ein Mädchen in einer karierten Bluse über knappsitzenden Jeans eintrat und von dem Oberinspektor herzlich begrüßt wurde.
„Hallo, Sandra! Schön, daß wir uns mal Wiedersehen. Ich höre, du hast Tips für uns“, sagte Ruhwedel.
Der junge Kriminalist wollte seinen Augen und Ohren nicht trauen.
Das also war die Detektivin? Ein schlaksiger Teeny mit blanken Augen und einem runden Schulmädchengesicht! Lorenz konnte es nicht fassen.
Doch je länger er dann Sandras und Joschis Bericht zuhörte, um so beeindruckter war er von den beiden. Die wußten ja tatsächlich, worauf es bei der Untersuchung einer Strafsache ankam.
„Ja, mehr haben wir leider nicht für sie“, sagte Sandra abschließend. „Aber ein bißchen was können sie sicher damit anfangen. — Übrigens ist der Neffe von Frau Arnold nicht so bankrott, wie Herr Seibold meint.“
„Sandra und ich haben uns ein bißchen bei ihm umgesehen“, berichtete Joschi. „Der Mann fährt einen dicken, fabrikneuen Wagen.“
„Noch etwas!“ fiel Sandra ein. „Joschi hat dummerweise der Züchterin gegenüber erwähnt, daß Herr Seibold für die Katzen-Marie arbeitet. Die Nichte der Züchterin erinnerte sich an ihn. Sie wußte auch, daß Herr Seibold abends mit seinem Hund am Fluß entlang spaziert.“
„Interessant“, bemerkte der Oberinspektor. „Und was ist mit dem Bauunternehmer Lange?“
„Nach dem habe ich mich erkundigt. Er ist mit seiner Frau verreist“, erwiderte Joschi und blickte Sandra spöttisch an.
Sandra reckte hochnäsig ihr Kinn.
Ruhwedel entging dieses stumme Zwiegespräch nicht. „Verschweigt ihr mir etwas?“ fragte er.
„Joschi hält Lange für unschuldig, weil er so viele interessante Partygäste hat und sich
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