Sanft kommt der Tod
sie zum erstem Mal wiedergesehen hast, hast du sie so angesehen wie sonst nur mich.«
»Das ist totaler Unsinn.«
»Ist es nicht!« Sie sprang von ihrem Stuhl auf, damit sie auf Augenhöhe mit ihm stand. »Ich bin dafür ausgebildet, zu beobachten, und ich kenne dein Gesicht und deine Augen. Ich weiß, was ich gesehen habe.«
»Und deine Ausbildung als Polizistin sagt dir, dass der Blick, mit dem ich sie, wie du selbst gesagt hast, eine Sekunde lang angesehen habe, Grund genug ist, um völlig irrational zu reagieren und derart eifersüchtig zu sein?«
»Es ist keine Eifersucht. Ich wünschte, dass es das wäre. Ich wünschte, es wäre so oberflächlich und so dumm. Aber es ist keine Eifersucht. Ich habe einfach Angst.« Sie ließ sich wieder in ihren Schreibtischsessel sinken, als ihre Stimme brach. »Ich habe fürchterliche Angst.«
Er richtete sich wieder auf. »Kannst du wirklich glauben, dass ich jemals bedauern würde, was wir beide füreinander sind, was wir beide miteinander haben? Dass ich jemals bereuen würde, dass ich mich für dich entschieden habe statt für sie? Habe ich dir nicht oft genug gesagt und gezeigt, dass du alles für mich bist?«
Sie kämpfte um Gelassenheit und um die rechten Worte. »Sie ist nicht wie die anderen. Es gibt immer noch eine Verbindung zwischen euch. Das weißt du, und das weiß ich. Und, was vielleicht noch schlimmer ist, sie weiß das ebenfalls. Die Verbindung, die gemeinsame Vergangenheit ist nicht zu übersehen. Sie war sogar so deutlich zu erkennen, dass ich heute ständig irgendwelchen mitleidigen Blicken ausgesetzt war. Dass es für mich erniedrigend war, durch meine eigene Abteilung bis in mein Büro zu gehen.«
»Und was ist mit der Verbindung zwischen uns, was ist mit unserer Geschichte, Eve?«
Ihre Augen glitzerten. Anders als viele andere Frauen würde sie niemals Tränen als Waffe einsetzen, sie kämpfte sogar jetzt dagegen an. Wobei ihr Kampf für ihn alles noch verschlimmerte.
Er trat ans Fenster und starrte in die Dunkelheit hinaus. Damit sie nicht weiterstreiten würden, bis es nichts mehr zu streiten gab. Sie müssten sich ganz vorsichtig an den Kern ihres Problems herantasten. Und dann müssten sie weitersehen.
»Musst du wissen, was und wie es zwischen uns beiden war, und was und wie es jetzt zwischen uns beiden ist?«
»Das weiß ich bereits.«
»Du glaubst es bereits zu wissen«, korrigierte er. »Und vielleicht hast du weder völlig unrecht noch vollkommen recht. Willst du recht haben?«
»Nein.« Gott, nein. »Aber ich muss es wissen.«
»Tja, dann werde ich es dir sagen. Ich war damals wie alt? Dreiundzwanzig oder so, und habe Geschäfte in Spanien gemacht. Ich hatte ziemlichen Erfolg und vor allem hat es mir schon damals Riesenspaß gemacht, einen Fuß auf jeder Seite zu haben. Ich wollte Licht und Schatten, könnte man vielleicht sagen. Weil das eine interessante Mischung ist.«
Nach einer kurzen Pause fuhr er fort. »In Barcelona liefen wir uns über den Weg. Wir hatten zufällig den selben Coup geplant.«
Mit einem Mal war alles wieder da, als er aus dem Fenster in den dunklen Garten sah.
Der Lärm und die bunten Lichter in dem Club. Es war eine schwüle Septembernacht gewesen und die Musik hatte das Blut zum Kochen gebracht.
»Sie kam in den Club, in dem ich die Zielperson seit einer Weile im Visier hatte. Sie trug ein rotes Kleid und hatte einen stolz gereckten Kopf. Sie bedachte mich mit einem kurzen Blick und machte sich direkt an meine Zielperson heran. Bereits nach wenigen Minuten hat er ihr den ersten Drink spendiert. Sie war wirklich gut. Ich hätte beinahe nicht gemerkt, wie sie ihm die Schlüsselkarte aus der Tasche zog.«
Er wandte sich vom Fenster ab. »Es ging um Rubine - blutrote Rubine. Die Prunkstücke einer Ausstellung. Um an sie heranzukommen, brauchte man drei Schlüsselkarten, und ich hatte bereits zwei. Sie hat ihm seine Schlüsselkarte geklaut, ist kurz aufs Klo gegangen, hat eine Kopie davon gemacht und ihm dann die Karte wieder zugesteckt, ohne dass er irgendetwas davon mitbekommen hat. Jetzt kam keiner von uns beiden mehr an die verdammten Steine, das hat mich natürlich angekotzt.«
»Ja, klar.«
»Also wartete ich darauf, dass sie zu mir kommen würde, was sie am nächsten Tag auch tat. Am Ende haben wir den Coup gemeinsam durchgezogen und eine Zeitlang zusammen weitergemacht. Sie war jung, furchtlos und voller Leidenschaft, wir haben beide das schnelle Leben genossen und neben dem beruflichen Erfolg
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