Sanft kommt der Tod
etwas auf. »Weil ich schließlich ganz in der Nähe war. Ich habe den Toten gesehen, und ich bin immer sehr, sehr aufmerksam. Deshalb könnte ich Ihnen ja vielleicht helfen, diesen Fall abzuschließen«, meinte sie in hoffnungsvollem Ton.
»Falls dir irgendetwas einfällt, denk dran, dich bei mir zu melden. Aber jetzt hau endlich ab.«
Rayleens Augen blitzten auf, und sie fuhr zu Eve herum. »Das hier ist mein Zimmer.«
»Und meine richterliche Erlaubnis, es mir anzusehen. Also zieh Leine, ja?«
Rayleen kniff die Augen zusammen und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich werde ganz bestimmt nicht Leine ziehen.«
Sie baute sich trotzig, arrogant, zornig, selbstbewusst, vor allem aber herausfordernd vor ihrem Gegenüber auf. Versuch doch, mich zu zwingen, drückte ihre Miene aus.
Eve ging langsam auf das Mädchen zu, packte sie am Arm und zog sie unsanft in den Flur.
»Sich mit mir anzulegen ist ein Fehler«, erklärte sie dem Kind in ruhigem Ton, drückte die Tür ins Schloss, drehte den Schlüssel um und schloss, damit Rayleen nicht einfach durch das Schlafzimmer wieder hereingeschlendert kam, auch die zweite Tür zwischen den beiden Räumen ab.
Dann fuhr sie mit ihrer Arbeit fort und wurde erst wieder gestört, als Peabody von draußen rief: »Warum haben Sie denn abgesperrt?«
»Damit mir die Kleine nicht noch einmal in die Quere kommt.«
»Oh. Tja. Ich habe die Jungs schon mal ein paar der Kisten runterschaffen lassen, die wir mitnehmen. Sie sind ordentlich beschriftet, und ich habe auch die Quittungen dafür schon ausgestellt. Unglücklicherweise haben wir weder Gift in den Gewürzgläsern noch Erpresserbriefe in der Bibliothek entdeckt. Aber trotzdem gibt es jede Menge Zeug, das wir uns ansehen müssen, wenn wir wieder auf der Wache sind. Haben Sie hier etwas gefunden?«
»Dies und das. Aber eins habe ich nirgendwo entdeckt. Und zwar ihr Tagebuch.«
»Vielleicht, weil sie keins führt.«
»Nach dem Mord an Foster hat sie ihr Tagebuch erwähnt. Nur finde ich ganz einfach keins.«
»Manchmal verstecken sie die Dinger wirklich gut.«
»Wenn es irgendwo hier wäre, hätte ich es längst entdeckt.«
»Da haben Sie wahrscheinlich recht.« Peabody spitzte nachdenklich die Lippen und sah sich in dem Zimmer um. »Vielleicht führt sie ja doch kein Tagebuch. Zehnjährige Mädchen haben noch kein besonderes Interesse an Jungs, und Jungs sind das, worum es hauptsächlich in Tagebüchern geht.«
»Sie hat einen für ihr Alter erstaunlich regen Geist. Wo also ist das Gejammere darüber, dass Mom und Dad ihr nicht erlauben, sich ein Tattoo machen zu lassen oder das große Glücksgefühl, weil Johnnie Dreamboat sie heute in der Pause angesehen hat?«
»Das kann ich nicht sagen, aber ich kann auch nicht sagen, ob und inwieweit es uns weiterbringen sollte, wenn sie ein Tagebuch hätte und wir es finden würden.«
»Es geht mir um die alltäglichen Dinge - was Mami zu Daddy sagt, was dieser oder jener Lehrer gemacht hat oder so. Die Kleine ist wirklich aufgeweckt. Wenn auch ein bisschen rotznasig.«
»Sie halten alle Kinder für rotznasig«, stellte Peabody grinsend fest.
»Weil sie das schließlich auch sind. Aber die Kleine hier ist alles andere als dumm.« Eve blickte noch mal in den Spiegel und sah wieder die Art, wie Rayleen sich selbst betrachtet hatte, bevor sie mit zornblitzenden Augen zu ihr herumgefahren war. »Falls etwas sie genervt oder ihre zarten Gefühle verletzt hat, gehe ich jede Wette ein, dass sie es aufgeschrieben hat. Also, wo ist das blöde Tagebuch?«
»Nun, vielleicht findet ja McNab etwas in ihrem Computer. Sie ist schlau genug, um ihre Lästereien irgendwo zu verstecken, wo sie vor Mami, Daddy und Cora sicher sind.«
»Sagen Sie McNab, dass die Suche nach dem Tagebuch erst einmal Vorrang hat.«
»Sicher. Auch wenn ich mir, wie gesagt, nicht vorstellen kann, dass uns das wirklich weiterbringt.«
»Vielleicht nicht.« Eve drehte sich um und studierte abermals den Schnappschuss der Familie in den Ferien. »Aber vielleicht auch doch.«
17
Kaum waren die Kisten aus dem Penthouse auf der Wache, belegte Eve einen Besprechungsraum, breitete dort zusammen mit Peabody sämtliche Sachen aus und teilte sie nach Räumen sowie innerhalb der Räume nach Personen auf.
Dann zog sie die Tafel an den Tisch und hängte dort Fotos einiger Gegenstände auf.
Sie sah sich die Fotos an und lief nachdenklich vor der Tafel auf und ab.
»Bitte, ich brauche unbedingt etwas zu
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