Sanft kommt der Tod
»Wobei mir die Geometrie durchaus geholfen hat. Und dann habe ich mir ein süßes junges Ding geschnappt und ...«
Jetzt schnappte er sich sie, drehte sie zu sich herum, drückte sie mit dem Rücken gegen die Wand und küsste sie gierig mitten auf den Mund.
Seine Lippen machten sie genauso schwindelig wie sein vorheriges Gerede, doch sie machte sich entschlossen wieder von ihm los.
»Erst die Arbeit, dann das Mandelhockey.«
»Du bist einfach eine unverbesserliche Romantikerin«, stellte er grinsend fest. »Aber ich glaube, ich verstehe, was du herausfinden willst, und das hat vor allem etwas mit Schnittpunkten und dem zentralen Knotenpunkt zu tun.«
Sie musste sich die Finger unter das Auge pressen, denn sonst hätte es gezuckt. »Das Wort Knotenpunkt kann es doch wohl unmöglich geben.«
»Es ist ein mathematischer Begriff. Und ich glaube, dass in deinem Fall der zentrale Knotenpunkt die Klasse des ersten Opfers ist. Weil sie zwischen allen anderen Punkten liegt. Außerdem denke ich, dass sie die Stelle ist, an der sich die Linien dem ersten Theorem zufolge überschneiden.«
»Lassen wir die höhere Mathematik am besten aus dem Spiel, denn sie trennt meinen Geist von meinem Körper, und das erlebe ich am liebsten nur beim Sex. Fosters Klasse.« Sie wies auf den offenen Raum. »Die am Tag seiner Ermordung zweimal mindestens fünfzig Minuten lang leer gestanden hat. Und zwar vor Beginn des Unterrichts und dann noch mal in der vierten Stunde, wodurch der Mörder ausreichend Gelegenheit gehabt hätte, an der Thermoskanne herumzudoktern oder sie einfach zu vertauschen. Ich gehe von Vertauschen aus. Wenn ich damit recht habe, haben wir vielleicht Glück. In seiner Kanne war nämlich sein Name eingraviert. Aber wie dem auch sei ...«
Sie löste das Siegel an der Tür und stieß sie auf. »In allen anderen Klassen war in der vierten Stunde Unterricht, auch in der des zweiten Opfers. Hier.« Sie ging ein Stückchen weiter und machte auch die Tür von Williams' Klasse auf. »Während der zweiten fünfzig Minuten, in denen Fosters Klasse leer gestanden hat, hat Williams seine Klasse circa zehn Minuten verlassen. Angeblich war er auf dem Klo.«
»Damit hätten wir eine gerade Linie von Punkt zu Punkt. Er hätte die Gelegenheit und ein Motiv für diesen ersten Mord gehabt.«
»Ja. Wobei bisher noch nicht bewiesen ist, dass er im Besitz des Giftes war. Woher hätte er es haben, weshalb hätte er sich gerade für Rizin entscheiden sollen? Während der vierten Stunde waren außer ihm noch andere unterwegs. Auf der Schülertoilette war zu der Zeit ein Hausmeister und hat angeblich etwas repariert. Aber er ist sauber. Keine Vorstrafen, kein erkennbares Motiv, seine Arbeitgeber sind des Lobes voll, verheiratet, Vater von drei Kindern und Opa von zwei Enkelkindern, die auf diese Schule gehen.«
»Aber er ist als weiterer Schnittpunkt anzusehen.«
»Ja, ja. Er sieht Mosebly, Hallywell, Williams und Dawson und wird von ihnen ebenfalls gesehen. Danach auch noch von Rayleen Straffo und Melodie Branch. Alle gehen irgendwann aneinander vorbei, wobei auch Dawson auf die beiden Schülerinnen und eine Etage tiefer Hallywell auf zwei andere Schüler trifft.«
»Vergiss nicht deine Unbekannte«, führte Roarke die Gleichung weiter aus. »Die Möglichkeit, dass jemand Unbekanntes parallel gelaufen ist. Als Segment, das sich mit keinem anderen überschnitten hat, aber trotzdem am zentralen Knotenpunkt angekommen ist.«
»Irgendjemand Außenstehendes. Zum Beispiel Alliko oder Oliver Straffo, die beide nach vorheriger Planung den Knotenpunkt hätten erreichen können, ohne vorher die Sicherheitskontrolle zu passieren, um die Thermoskanne in der Klasse, die bekanntermaßen um die Zeit leer gestanden hat, zu manipulieren oder zu vertauschen und wieder zu verschwinden. Man braucht keine sechs Minuten, um herein-und hier heraufzukommen, die Klasse zu betreten, die Kannen zu vertauschen und wieder zu gehen. Ich habe die Zeit gestoppt.«
Sie brach ab, drehte sich einmal um sich selbst und atmete hörbar aus. »Einer der beiden hätte es tun können, ohne dass ihn jemand gesehen hat. Und selbst wenn sie jemandem begegnet wären, wäre das nicht weiter aufgefallen, weil schließlich ihre Tochter in die Schule geht. Niemand hätte sich gewundert, einen von ihnen hier zu sehen.«
»Aber es hat sie niemand gesehen.«
»Nein. Straffo war an dem Morgen in seinem Büro. Die Tür zum Vorzimmer jedoch war zu. Hat er sich vielleicht heimlich
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