Sanft sollst du brennen
zu spät gekommen.
Der Hurensohn hatte sie in seiner Gewalt.
38
Langsam drang Licht in die schwarze Leere. Kate schlug die Augen auf. Es fiel ihr schwer, und als es ihr endlich gelang, sah sie ihre Umgebung nur undeutlich. In ihrem Kopf drehte sich alles, und sie konnte keinen klaren Gedanken fassen.
Sie lag auf etwas Hartem und Kaltem. Was war das? Ein Tisch? Ein Steinsockel? Nein, das konnte nicht sein, sie war ja schließlich nicht tot. Sie spürte ja, wie sie atmete. Hatte sie einen Unfall gehabt? Sie konnte sich nicht erinnern.
Sie hatte keine Schmerzen, und es war wohl auch nichts gebrochen. Vorsichtig bewegte sie Arme und Beine. Gut, es ging, war aber schwierig.
Sie fühlte sich so schwach und lethargisch. Was war mit ihr geschehen?
Oh nein, sie flog nicht schon wieder in die Luft, oder?
Die Panik machte sie hellwach. Oh Gott, Isabel steckte in Schwierigkeiten. Jemand hatte sie entführt. Kate konnte sich erinnern, dass sie gelaufen war. Sie musste zu ihr, bevor er ihr etwas antat.
Wo war ihre Schwester? Kate versuchte nach ihr zu rufen, aber ihre Stimme gehorchte ihr nicht.
Drogen. Sie hatten sie unter Drogen gesetzt. Sie erinnerte sich an den Geruch des Lappens auf ihrem Gesicht. Und sie hatten sie in den Arm gestochen.
Sie wusste nicht, wie lange sie bewusstlos gewesen war. Langsam wurde sie wieder klar, und es gelang ihr, sich aufzusetzen. Eine Welle von Übelkeit überschwemmte sie, aber die verging rasch wieder.
Endlich konnte sie um sich herum etwas erkennen. Sie saß auf einem Holzfußboden. An den Wänden waren Bücherregale, und vor ihr stand ein Schreibtisch – eine Bibliothek. Warum kam sie ihr so vertraut vor? Das Video.
Ja, es war der Schreibtisch, an dem Compton MacKenna gesessen hatte. Sie war in seiner Bibliothek. Dort hing das Gemälde an der Wand, das sie im Video gesehen hatte. Eine Jagdszene, mit Männern in Kilts. Eine Landschaft irgendwo in Schottland.
Was tat sie hier?
Sie machte einen schwachen Versuch aufzustehen und fiel beinahe wieder hin. Sie hielt sich an der Armlehne eines Stuhls fest und wollte es gerade noch einmal versuchen, als sie eine Tür schlagen hörte. Dann kamen Stimmen näher.
»Bist du sicher, dass du ihr genug gegeben hast? Ich mache mir Sorgen, dass sie aufwacht, bevor ich fertig bin.«
Kate erstarrte. Das war Vanessas Stimme.
Mit wem redete sie? Die andere Stimme hörte Kate nur undeutlich.
Vanessa fuhr fort: »Ich brauche mindestens noch fünfzehn Minuten. Oder besser zwanzig. Und du meinst, es reicht? Okay. Aber wir müssen uns beeilen. Zieh ihn in die Bibliothek.« Wieder schlug eine Tür. »Und mach schnell. Du musst wieder zurück sein, bevor dich jemand vermisst.«
Vanessa stand direkt vor der Tür. Kate legte sich wieder auf den Rücken. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals. Sie hörte etwas krachen. Es klang wie splitterndes Glas. Dann lachte jemand.
»Mach dir keine Gedanken«, sagte Vanessa. »Nichts in diesem Rattenloch ist etwas wert. Es ist doch nicht zu fassen, dass der senile alte Kerl ernsthaft geglaubt hat, ich würde mich mit dem Haus und mickrigen hunderttausend Dollar zufriedengeben. Und er hat gedacht, er könnte sein Vermögen einfach so einer Fremden überlassen. Ich schwöre dir, am liebsten hätte ich ihn mit der Kamera umgebracht. Dieser blöde Narr. Ich habe mich doch nicht jahrzehntelang um einen Säufer gekümmert, nur für diesen Schrott. Ach, apropos, Liebling, Bryce müsste jeden Moment den Löffel abgeben. Er war zu betrunken, um zu merken, wie viele Schmerztabletten er geschluckt hat. Ich habe den Ärzten schon gesagt, dass ich mir Sorgen mache, dass er möglicherweise aus Versehen eine Überdosis nimmt.« Man hörte Schritte, und dann: »Ich habe die Hände voll. Kannst du die Tür für mich aufmachen?«
Kate spürte den Luftzug, als die Tür geöffnet wurde. Ein Rock raschelte. Vanessa trat zu ihr. Sie stieß sie leicht mit dem Fuß an, und Kate wusste, dass sie sie betrachtete. Und dann trat Vanessa ihr fest gegen den Oberschenkel. Kate zuckte nicht.
»Sie ist immer noch bewusstlos«, sagte Vanessa zufrieden. Sie trat an den Schreibtisch.
Was machte sie da? Und wer war »Liebling«?
Dann hörte sie ihn. Er schleppte etwas, was er mit einem Plumps auf den Boden fallen ließ.
Ein Telefon klingelte, und Vanessa stieß ein leises Keuchen aus. »Das muss dein Handy sein. Meins ist im Auto. Wir müssen uns beeilen. Los. Los. Oh, das habe ich beinahe vergessen. Hier, nimm das Telefon vom Schreibtisch mit. Ich
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