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Sanft wie der Abendwind

Sanft wie der Abendwind

Titel: Sanft wie der Abendwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Spencer
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gemeinsamen dreijährigen Sohn zu entführen. Der Kleine wachte gestern auf, als ich im Haus war, deshalb ist seine Mutter nach oben gegangen, um nach ihm zu sehen, was wiederum erklärt, warum du im ersten Stock Licht gesehen hast. Tut mir leid, wenn die Erklärung ein bisschen zu farblos für deine lebhafte Fantasie ist.“
    „Oh. Verstehe.“ Lily klang kleinlaut.
    Streng sah Sebastian sie an. „Unter keinen Umständen darfst du auch nur ein Wort von dem verlauten lassen, was ich dir gerade erzählt habe.“
    „Natürlich nicht. Und …“ Sie biss sich auf die Lippe. „Ich möchte mich für die ungerechtfertigten Unterstellungen entschuldigen.“
    „‚Ungerechtfertigt‘ ist genau das richtige Wort“, stimmte er zu. „Es ist nicht mein Stil, zwischen zwei anderen Verpflichtungen mal kurz mit einer Frau ins Bett zu gehen. Ich nehme mir lieber Zeit für eine Verführung.“
    Lily sah ihn erstaunt an und errötete.
    Ihre Verlegenheit amüsierte ihn. Er ging zum Regal, um das Buch zu suchen, das Natalie brauchte, und fand es auch gleich. „Ach, noch eins“, sagte er und ging zur Tür, „es gibt durchaus Frauen, die mehr moralisches Empfinden als streunende Katzen haben und nicht gleich mit jedem ins Bett steigen. Das wusstest du vielleicht nicht – so wie du erzogen worden bist.“ Nachdem er diesen Seitenhieb angebracht hatte, verließ er die Bibliothek.
    Hugo und Cynthia gingen früh ins Bett, Natalie lernte eifrig in ihrem Zimmer. Das Haus war still, abgesehen vom Ticken der großen Standuhr in der Diele.
    Die zwei vergangenen Tage waren für Lily sehr anstrengend gewesen, aber sie konnte nicht einschlafen, denn zu viele ungeklärte Fragen über die Vergangenheit hielten sie wach.
    Warum hatte ihre Mutter ihr nie von Hugo erzählt? Er war ein grundanständiger Mann und hatte sie mit offenen Armen willkommen geheißen. Das ließ sich nur schwer mit der Tatsache vereinbaren, dass er sich erst zu seiner Vaterschaft bekannt hatte, als sie, Lily, Kontakt mit ihm gesucht hatte.
    Als sie ihn nach dem Grund gefragt hatte, war er ihr ausgewichen. Er verschwieg ihr etwas, das spürte sie deutlich – ebenso, dass etwas ihn tief verletzt hatte.
    Sie stand auf und ging zum offenen Fenster. Am unteren Ende des Gartens strömte ruhig der breite Fluss vorbei, wie ein dunkles Band in der von Sternen erhellten Nacht. Über den Baumwipfeln konnte sie, wenn sie den Hals reckte, das Dach des Gebäudes ausmachen, in dem Sebastian wohnte. Ein Fenster war erleuchtet, demnach war er zu Hause.
    Alle hier hatten ein Gefühl der Zugehörigkeit, des Zuhauseseins. Sie wussten, woher sie kamen und wohin sie gingen. Nur sie, Lily, trieb auf einem Meer der Unsicherheit dahin, und trotz des herzlichen Empfangs blieb sie einsam. Noch gehörte sie nicht zur Familie. Vielleicht würde sie niemals dazugehören?
    Dass sie überhaupt hier war, verdankte sie einem Zufall. Wenn sie in der Hinterlassenschaft ihrer Eltern nicht den Umschlag mit dem Foto, dem Trauschein und der Geburtsurkunde gefunden hätte, hätte sie nicht gewusst, dass ihre Mutter zweimal verheiratet und Neil Talbot nur ihr, Lilys, Adoptivvater war. Da sie eine sehr glückliche Kindheit verlebt hatte, hätte es ihr gleichgültig sein können, war es jedoch nicht. Die Menschen, denen sie blind vertraut hatte, hatten sie getäuscht.
    Plötzlich kam ihr das große luftige Zimmer beengt vor, dazu heiß und stickig. Sie sehnte sich nach einer kühlen Brise, wie sie in Vancouver häufig vom Pazifik her wehte.
    Ein Glitzern unten im Garten erinnerte sie an den Swimmingpool, den sie nachmittags von diesem Fenster aus entdeckt hatte. Ja, jetzt schwimmen zu gehen war eine gute Idee! Rasch zog sie den Badeanzug an und nahm ein Handtuch aus dem Bad. Dann ging sie leise durch das stille Haus und über die Terrasse in den Garten.
    Niedrige Lampen beleuchteten den Weg ums Haus, ansonsten war es dunkel. Als Lily um die Ecke bog und sich dem Schwimmbecken näherte, flammten plötzlich automatisch Scheinwerfer auf, und sie sah, dass sie nicht die Einzige war, der nach Abkühlung zumute war.
    Ein Kopf tauchte über dem Wasser auf, dann erklang Sebastians Stimme. „Was, zum Teufel … Wer ist da?“
    „Ich“, antwortete Lily und ging zum Becken. „Ich möchte schwimmen.“
    „Vergiss es! Ich war zuerst hier!“
    Typisch Sebastian, zu glauben, dass er sie einfach wegschicken könnte, als wäre sie ein Eindringling! „Der Pool ist doch bestimmt groß genug für zwei.“
    „Wetten, dass du

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