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Sanft wie der Abendwind

Sanft wie der Abendwind

Titel: Sanft wie der Abendwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Spencer
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einen neuen Pass zu beantragen. Vor allem, wenn Sie kurzfristig ins Ausland wollen … Und außerdem muss man bedenken, dass ein Gangster das Dokument finden und für irgendwelche kriminellen Zwecke verwenden könnte. Und … na ja …“ Ihr fiel nichts mehr ein.
    „Sind Sie endlich fertig?“
    Als sie merkte, dass sie noch immer krampfhaft den Pass festhielt, ließ sie ihn Sebastian in den Schoß fallen. „Ja.“
    „Ein Glück!“ Er warf den Pass achtlos nach hinten und fuhr aus der Parklücke.
    Die Rushhour war nun in vollem Gang, und das machte es ihr, Lily, leichter, Sebastians Schweigen zu ertragen, da sie ihn ohnehin nicht ablenken wollte. Als sie aber Toronto bereits weit hinter sich gelassen hatten und die Stille weiterhin nur vom Geräusch der Scheibenwischer unterbrochen wurde, sagte Lily sich, dass sie nun beide lang genug geschmollt hätten.
    „Unsere Begegnung scheint bisher unter keinem guten Stern zu stehen. Ich habe Sie verärgert und möchte mich für mein Verhalten entschuldigen“, begann sie und blickte zu Sebastian.
    Er zuckte die Schultern, was nicht unbedingt ermutigend aussah.
    Trotzdem blieb Lily hartnäckig. „Es ist sonst nicht meine Angewohnheit, anderer Leute Privateigentum zu inspizieren. Sie sind aber länger weggeblieben, als Sie behauptet hatten, und ich habe nur etwas zum Lesen gesucht.“
    Kurz blickte er sie vernichtend an. „Da habe ich ja noch mal Glück gehabt, dass Sie sich mit meinem Pass begnügt haben. Hinten im Auto liegen ein gutes Dutzend juristischer Akten, die Ihnen pikantere Lektüre geboten hätten. Anschließend hätten Sie mich erpressen können, weil ich meine Schweigepflicht als Anwalt verletzt hätte.“
    „Ich wusste nicht, dass Sie Anwalt sind.“
    „Ich wusste nicht, dass Sie eine neugierige Wichtigtuerin sind. Wir sind also quitt.“
    „Warum mögen Sie mich nicht, Sebastian?“
    „Sie sind mir völlig gleichgültig, Miss Talbot, wenn man mal davon absieht, dass ich Sie fürchterlich lästig finde. Damit ist es aber glücklicherweise vorbei, sobald ich Sie bei Hugo absetze.“ Er machte eine bedeutungsvolle Pause. „Vorausgesetzt, Sie verletzen weder ihn noch sonst einen Menschen, an dem mir etwas liegt!“
    „Offensichtlich glauben Sie, ich würde genau das tun.“
    Nun wandte er sich ihr kurz zu, und der kalte Ausdruck in seinen blauen Augen ließ sie beinah schaudern. „Ja, meiner Erfahrung nach fällt der Apfel nicht weit vom Stamm.“
    Verwirrt sah sie Sebastian an. „Was soll das heißen?“
    „Das soll heißen: Wenn Sie wie Ihre Mutter sind …“ Anscheinend hatte er schon mehr gesagt als beabsichtigt, denn er verstummte und konzentrierte sich wieder auf die Straße.
    Lily hatte jedoch nicht die Absicht, das Thema einfach fallen zu lassen. „Was wissen Sie über meine Mutter?“
    „Mehr, als mir lieb ist.“
    „Und das hat Hugo Ihnen erzählt?“
    „Hugo hatte seit mehr als sechsundzwanzig Jahren keinen persönlichen Kontakt mit ihr.“
    „Genau! Deshalb ist seine Meinung alles andere als verlässlich.“
    „Zum ersten Mal stimme ich mit Ihnen völlig überein!“ Sebastian bog ab und hielt vor einem hell erleuchteten Restaurant. „Um diesen Glücksfall zu feiern, lade ich Sie zum Essen ein. Nach Stentonbridge dauert es noch ungefähr zwei Stunden.“
    Einerseits hätte sie ihm gern gesagt, sie sei mehr an einer Erklärung seiner rätselhaften Bemerkungen als an Essen interessiert, andererseits riet die Vernunft ihr, das Thema nicht weiterzuverfolgen. Offensichtlich wusste er mehr, als er ihr sagte, aber die Antworten, die sie suchte, wollte sie nicht von ihm hören.
    Sie wartete schon so lange darauf, die Wahrheit zu erfahren, da kam es auf ein paar Stunden oder Tage nicht an.
    Lily Talbot ist ganz anders als erwartet, dachte Sebastian und betrachtete sie unauffällig, während sie die Speisekarte durchlas. Nein, Lily sah nicht wie eine vulgäre, geldgierige Hasardeurin aus. Er hatte sie sich durchaus gut aussehend, aber aufgedonnert vorgestellt: toupiertes Haar, lange künstliche Fingernägel, viel billiger Modeschmuck.
    Eigentlich war sie ganz hübsch, ja, man konnte sie durchaus als attraktiv bezeichnen, jedenfalls war sie alles andere als ordinär. Sie hatte schmale Hände mit sorgfältig gepflegten Nägeln. Glattes dunkelbraunes Haar umrahmte ihr zartes Gesicht, sie hatte einen freimütigen Blick und lächelte offensichtlich gern, wie man ihren vollen, schön geschwungenen Lippen ansah.
    Kleine goldene Ohrringe waren,

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