Sanft will ich dich töten: Thriller (German Edition)
erklären.«
»Gibt es da etwas zu erklären?«
»Ja, ich glaube schon. Ich weiß, vermutlich glaubst du, alle, die aus L. A. kommen, sind ultra-hip und sexuell befreit und schlafen mit jedem.«
»Das glaube ich ganz und gar nicht.«
»Ich bin jedenfalls nicht so.« Sie blickte aus dem Seitenfenster und fuhr mit dem Fingernagel durch das Kondenswasser, das sich an der Scheibe sammelte. Obwohl sie das Gesicht von ihm abwandte, sah er doch kurz ihr Profil und die nachdenklich herabgezogenen Mundwinkel. »Ich bin sexuell nicht sonderlich freizügig, und deshalb … deshalb war die gestrige Nacht … Nun ja, ich hätte darauf bestehen müssen, dass wir uns schützen.«
Seine Hände umklammerten das Lenkrad. »Machst du dir deswegen Sorgen? Dass du schwanger sein könntest?«
»Ja, das auch. Wirklich, ich verstehe nicht, wie ich so den Kopf verlieren konnte. Nach all den Gardinenpredigten, die ich Cassie gehalten habe, und dann mache ich selbst … Ich … Ach was, du weißt selbst, was passiert ist. Du warst schließlich dabei.«
»Ich bin genauso schuld wie du.«
»Schuld. Nett und romantisch ausgedrückt.«
»Ich wusste nicht, dass es etwas mit Romantik zu tun hat«, versetzte er und bemerkte die kleine Falte zwischen ihren Brauen.
»Hat es auch nicht. Ich finde nur, wir sollten zumindest freundlich zueinander sein.«
»Das wäre mir sehr lieb.« Er bremste vor einer Kurve ab und sah durch das Schneegestöber hindurch die Lichter der Stadt im Vorgebirge. »Nur damit du Bescheid weißt: Ich bin weder hip noch sexuell freizügig und ich schlafe auch nicht mit jeder. Jedenfalls schon sehr, sehr lange nicht mehr. Früher, als hormongesteuerter Teenager, habe ich das mal anders gesehen. Also, wir sollten uns nicht allzu viele Gedanken machen und in erster Linie dafür sorgen, dass dir nichts zustößt und dass wir den Kerl schnappen, der dich terrorisiert. Einen Schritt nach dem anderen. Einverstanden?«
Sie seufzte tief. »Einverstanden.«
»Unser nächstes Problem wäre Rinda. Sie ist im Augenblick ziemlich sauer auf mich. Glaubt, ich mache ihrem Bruder das Leben schwer und verdächtige ihren Sohn.«
»Und? Stimmt das?«
Er verzog den Mund zu einem Lächeln. » Ich würde nicht sagen, dass ich Wes das Leben schwer mache. Und ich verdächtige jeden. Scott kommt durchaus infrage. Aber seine Mutter hält mich für übereifrig.«
Sie fuhren in die Stadt und parkten ein paar Straßen von dem Café entfernt. Auf dem Weg dorthin bemerkte Carter bereits die Ü-Wagen in der Nähe der First Methodist Church und die Ansammlung von Einwohnern vor der Kirchentreppe. Ein ungewohnter Anblick in dieser verschlafenen Kleinstadt.
Er geleitete Jenna hastig in das Café, wo der Duft von frischem Kaffee die Gäste umfing. Das Stimmengesumm übertönte das Zischen der Espressomaschine und die Weihnachtsmelodien aus den verborgenen Lautsprechern.
Rinda, die an einem hohen Tisch saß, streute gerade Zimt auf den Milchschaum ihres Cappuccinos und hielt mit der anderen Hand ihr Handy ans Ohr. Wie zu erwarten, furchte sie bei Carters Anblick die Stirn und fiel sogleich über ihn her. »Herrgott, Shane«, sagte sie, klappte ihr Handy zu und knallte den gläsernen Zimtstreuer so heftig auf den Tisch, dass sich eine duftende, rostfarbene Wolke daraus erhob. Sie schien es gar nicht zu bemerken. »Du bist der Letzte, mit dem ich heute Abend hier gerechnet habe. Solltest du nicht draußen sein und Verbrechen verhindern oder zumindest unschuldige Steuerzahler verfolgen?«
Er grinste und versuchte, nicht auf ihren gereizten Ton einzugehen. »Ich dachte, ich bräuchte mal eine Ruhepause.«
»Lass lieber mich in Ruhe.«
»Du mich auch, Rinda, okay? Ich tue nur meine Arbeit, und heute Abend geht es nicht um dich oder mich oder Wes oder Scott. Es geht um die verschwundenen Frauen.«
Sie wollte noch mehr sagen – er sah es daran, wie ihre Nasenflügel sich blähten, ihr Mund schmal wurde und sie ihn mit einem bösen Blick bedachte –, doch dann entschied sie sich, eine Szene zu vermeiden. Wenigstens für die paar Minuten bis zur Mahnwache wollte sie den Mund halten. Es folgte ein unbehaglicher Waffenstillstand. Doch Carter hatte nicht allzu viel Zeit, sich Gedanken darüber zu machen, während er die Menschenansammlung im Café beobachtete, die jetzt auf die Straße hinausströmte. Er erkannte viele der Gesichter, aber einige waren ihm auch fremd, offenbar keine Einheimischen. Er hielt sich dicht neben Jenna, sein Arm streifte
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