Sanft will ich dich töten: Thriller (German Edition)
ihren, der Duft ihres Parfüms stieg ihm in die Nase, während er jede einzelne Person, die sich auf den Weg zur Methodistenkirche machte, aufmerksam musterte.
Cassie sah auf die Uhr. Zeit für ihr Treffen mit Josh. Er hatte am Telefon angekündigt, er werde hinter dem Zaun auf sie warten. Im Wald. Wo sie sich auch früher schon getroffen hatten. Das Grundstück grenzte an eine alte Holzfällerstraße.
Doch zuerst musste sie den Bodyguard abschütteln. Turnquist war anhänglicher als eine Klette, obwohl ihr Gefasel über »Frauenprobleme« ein Geniestreich gewesen war. Immerhin hatte er sie deshalb in ihrem Zimmer allein gelassen und hielt sich mit Allie im Erdgeschoss auf.
Sie unternahm einen halbherzigen Versuch, den Anschein zu erwecken, als liege sie im Bett, indem sie zusammengerollte Kissen unter die Decke stopfte und ein bisschen Puppenhaar darunter hervorlugen ließ. Wenn sie nicht zu lange ausblieb, würde diese behelfsmäßige Attrappe wohl ausreichen.
Jetzt brauchte sie sich nur noch durch das Schlafzimmer ihrer Mutter hinauszuschleichen und an dem glatten Holzpfahl hinunterzurutschen, der den Whirlpool stützte. Sie hatte warme Kleidung in ihren Rucksack gepackt und schlich mit gespitzten Ohren, um sich kein Geräusch entgehen zu lassen, durch die Zimmer im Obergeschoss.
Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass der Gorilla von einem Bodyguard nicht gerade die Treppe heraufkam, schlüpfte sie auf die obere Terrasse hinaus, schloss geräuschlos die Tür hinter sich und ließ sich an dem Pfahl hinuntergleiten.
Sie hörte nicht auf die innere Stimme, die sie verrückt schalt – die Stimme, die mahnte, dass ganz in ihrer Nähe bereits mehrere Frauen entführt worden waren, die Stimme, die sie an die merkwürdigen Briefe und den makabren Finger erinnerte, den ihre Mutter gefunden hatte.
Das alles bewies doch nur, dass sie im Haus auch nicht sicher waren. Trotz Jake Turnquist, dieser lächerlichen Parodie eines Bodyguards.
Cassie zog ihre Stiefel an, hielt sich dicht an der Hausmauer, duckte sich unter den Fenstern hindurch und sprintete durch den verglasten Gang und um die Garage herum. Sie wagte einen letzten Blick über die Schulter zurück zum Haus und wäre beinahe gestolpert, als sie Allie am Fenster von ihrem, Cassies, Zimmer stehen sah.
Was? Das kann doch nicht sein!
Cassie blickte noch einmal am Haus empor, doch jetzt war Allie verschwunden – oder hatte sie, Cassie, Gespenster gesehen? Reiß dich zusammen , ermahnte sie sich, zog den Reißverschluss ihrer Jacke bis zum Kinn hoch und huschte unter den Flügeln der Windmühle hindurch hinter die Scheune. Sie glitt immer wieder aus, und ihre Stiefel hinterließen Spuren, die der Schnee hoffentlich bald zudecken würde.
Die Luft war so kalt, dass sie in der Lunge brannte, der Wind heulte in der Schlucht und ließ die schneebedeckten Äste der Fichten schwanken und wippen.
Das ist doch Blödsinn , schoss es ihr plötzlich durch den Kopf. Es war viel zu kalt, um sich draußen herumzutreiben, viel zu gruselig, solange dieser Entführer frei herumlief … Kurzum, es war einfach nervig. Sie würde Josh sagen, dass sie es sich anders überlegt hatte, und wieder umkehren. Keine Party war so viel Aufwand wert. Und dann war da noch ihre Mom. So sauer Cassie auch auf Jenna war, sie wollte sie doch nicht in Todesangst versetzen. Falls Jenna herausfand, dass ihre Tochter schon wieder ausgerissen war, würde sie, Cassie, nicht nur zu lebenslänglichem Hausarrest verdonnert, sondern Jenna würde zudem umkommen vor Sorge, und dabei war sie sowieso schon mit den Nerven am Ende. Nein … Das war es nicht wert. Und wenn sie ehrlich war, langweilte Josh sie neuerdings maßlos. Aber im Grunde war hier ja alles langweilig.
Den Kopf gegen den beißend kalten Wind gesenkt, lief sie am Zaun entlang, fand die gewohnte Stelle und warf ihren Rucksack über die oberste Latte. Er fiel drüben in den weichen Schnee und versank fast völlig darin. Cassie kletterte über den Zaun und packte den Riemen des Rucksacks.
»Josh«, flüsterte sie. »Bist du hier?«
Sie hörte nichts, blickte noch einmal auf ihre Uhr und verfluchte im Stillen den Blödmann, der entweder zu spät kam oder sie versetzt hatte. Sie klappte ihr Handy auf, gab seine Nummer ein und wartete, bis die Voicemail sich meldete. »Josh, verdammt noch mal, was soll das?« Als der Signalton erklang, sagte sie: »Ich bin an der verabredeten Stelle. Jetzt warte ich noch fünf Minuten, und wenn du dann
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