Sanft will ich dich töten: Thriller (German Edition)
geschenkten Gaul?
»Dann koche ich inzwischen einen Kaffee«, bot sie an und redete sich selbst ein, sie sei lediglich vernünftig und höflich, aber nicht eine schwache, von Männern abhängige Frau wie diese Hausfrauen, die in den Schwarzweiß-Fernsehserien aus den Fünfzigern dargestellt wurden. Sie war keine June Cleaver! »Das ist das Mindeste, was ich tun kann.« Sie wäre beinahe an diesen Worten erstickt.
»Gute Idee.« Harrisons Grinsen wurde breiter, und er machte sich auf den Weg zum Pick-up, wo Seth Whitaker bereits eine große Werkzeugkiste auslud.
Plötzlich spürte Jenna, wie die Kälte durch ihren Pullover drang, und sie ging zurück zum Haus. Drinnen bemerkte sie, dass Allie ihre Jacke und die Mütze einfach über einen Barhocker geworfen hatte. Der Schnee, der daran gehaftet hatte, begann bereits zu schmelzen, sodass sich auf dem Boden eine Pfütze bildete.
»Ron hat angerufen«, teilte ihr Cassie von der Treppe her mit. Sie hatte sich inzwischen umgezogen und trug jetzt enge Jeans und einen Pullover. »Er sagt, er schafft es nicht wegen des Schnees.«
Jenna wischte mit einem Geschirrtuch die Pfütze auf. »Ich hatte ihn völlig vergessen«, sagte sie fassungslos. Ron Falletti war Jennas Personal Trainer. Seit kurzem arbeitete er auch mit Cassie. Jenna warf das Geschirrtuch durch die offene Tür in den Wirtschaftsraum.
»Was?«, versetzte Cassie in gespielter Entgeisterung und presste die Hand aufs Herz. »Du hättest dein Training vergessen? Das hätte ich nie für möglich gehalten!«
»Ich hatte in den letzten paar Tagen ziemlich viel um die Ohren.« Jenna mahlte ihre italienische Lieblings-Kaffeebohnen-Mischung, gab das Kaffeepulver in den Filter und füllte den Wassertank mit Wasser aus der Flasche, das sie eingekauft hatte. Doch Cassies Bemerkung hatte sie getroffen. Seit Jenna nach der Scheidung hierher gezogen war, hatte sie kaum jemals eine Trainingsstunde versäumt. In Form zu bleiben war zur Obsession geworden, hatte ihr über den seelischen Schmerz hinweggeholfen und bewirkt, dass ihr Körper mit achtunddreißig noch immer straff war wie der einer Zwanzigjährigen.
Während der Kaffee durchlief und Jenna ihre Einkaufstüten auspackte, trat Cassie ans Fenster und blickte zum Pumpenhäuschen hinüber. »Weißt du, Mom, du gibst mir ständig gute Ratschläge wegen Jungen und Dates.« Sie fuhr mit dem Finger durch das Kondenswasser an der Scheibe.
»Dafür bin ich da. Ich bin deine Mutter.«
»Vielleicht sollte ich zur Abwechslung mal dir einen Rat geben.«
»Oh. Okay.« Jenna folgte dem Blick ihrer Tochter. Harrison war aus dem Pumpenhäuschen getreten und musterte das Haupthaus mit einem gewissen abschätzigen Ausdruck.
»Ich mag ihn nicht«, erklärte Cassie und wies auf Harrison.
Jenna legte die Hand um Cassies ausgestreckten Finger. Sie wollte nicht, dass Harrison Brennan sah, wie ihre Tochter mit dem Finger auf ihn zeigte. »Er will doch nur helfen.«
»Ich weiß, so sieht es aus, aber …« Cassie nagte an ihrer Unterlippe und wandte sich zu ihrer Mutter um. »Er will viel zu oft helfen und dir vorschreiben, was du zu tun hast. Nicht dass er dich rumkommandiert, aber er scheint sich einzubilden, er wüsste alles besser.«
»Er meint, er hätte immer Recht.«
»Genau.« Cassie nickte. »Wie ein alter Knacker.«
»Ich weiß«, pflichtete Jenna ihr bei und wischte den Küchentresen ab. »Aber so alt ist er noch gar nicht. Zweiundfünfzig oder dreiundfünfzig, glaube ich.«
»O Gott, Mom, das ist uralt!« Cassie war entsetzt.
»Für dich.«
»Für dich auch.«
»Nein, Schatz, eigentlich nicht.« Sie öffnete den Kühlschrank und nahm Senf, Mayonnaise und ein Glas Gurken heraus. » Es wirkt nur so, als ob er zu einer anderen Generation gehörte.«
»Es wirkt nicht nur so, es ist so! Außerdem sagt Joshs Vater, er war bei der CIA, nicht bei der Air Force, wie er behauptet. Er war Spion oder Agent oder wie man das nennt.«
»Das ist kein Verbrechen«, betonte Jenna, verärgert darüber, dass Josh und Cassie offenbar über ihre Beziehung zu Harrison geredet hatten.
»Ich weiß, aber es ist irgendwie … komisch. Ich meine, wie viele Agenten kennst du sonst noch?« Cassie nahm sich einen Becher Joghurt aus dem Kühlschrank.
»Vielleicht mehr, als ich selbst weiß – wenn sie wirklich Spione sind, müssen sie schließlich ihre Tarnung aufrechterhalten«, scherzte sie.
»Ich meine es ernst, Mom.«
»Okay, okay. Ich habe verstanden. Mr Brennan hat mir gegenüber nie
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