Sanft will ich dich töten: Thriller (German Edition)
dich. Ich schicke dir jemanden nach Hause.« Seit Sonja zuletzt gesehen worden war, waren noch keine vierundzwanzig Stunden vergangen, doch ihr Verschwinden weckte böse Vorahnungen in Shane. Es passte nicht zu ihr. Überhaupt nicht. Lester hatte geschworen, sie hätten keinen Streit gehabt, und selbst wenn sie sich gezankt haben sollten – würde sie sich dann etwa im schlimmsten Unwetter seit einem halben Jahrhundert einfach mitten in der Nacht aus dem Staub machen? Nein, das ergab keinen Sinn. Lou hatte einem der Deputys im Imbiss erzählt, Sonja habe nicht aufgeregt oder besorgt oder sonst wie unnormal gewirkt. Er war davon ausgegangen, dass sie nach der Arbeit auf direktem Weg nach Hause fahren würde, hatte aber nicht gesehen, wie sie aufbrach, sondern nur festgestellt, dass ihr Auto fort war, als er sich selbst auf den Heimweg machte.
Nicht gut.
Ganz und gar nicht.
»Danke, Shane.« Les’ Stimme zitterte ein wenig, und dann ertönte ein Klack , als er auflegte.
Shane starrte auf das Telefon. »Verdammte Scheiße.« Was war mit Sonja Hatchell geschehen? Er trank seine zweite Tasse Kaffee aus, zerdrückte den Pappbecher in der Hand und schickte einen Deputy zum Haus der Hatchells. Sein Job hier in Lewis County bestand gewöhnlich aus Konferenzen, Bürokram und Bagatellkriminalität, wenn überhaupt. Es gab Drogenrazzien, Verkehrsunfälle, Trunkenheit am Steuer, Partys von Minderjährigen und einigen Vandalismus. Natürlich wurden seine Deputys auch zu Fällen von häuslicher Gewalt gerufen, doch gewöhnlich wurde die Anklage fallen gelassen, noch bevor die Parteien vor Gericht erschienen waren. Seine Behörde hatte vor zwei Jahren geholfen, ein Drogenlabor auszuheben, und in East County hatte sie die Werkstatt eines Autodealer-Rings dicht gemacht, aber normalerweise fielen keine toten Frauen aus hohlen Baumstämmen, wurden keine Bürgerinnen vermisst gemeldet.
Bis jetzt. Er blickte aus einem der Fenster. Über den Häuserdächern zogen träge graue Wolken dahin. Bedrohlich und todbringend. Das Leben hier in Falls Crossing hatte sich verändert. Und zwar nicht zum Besseren.
Er spähte durch die offene Lamellentür seines Büros. Auf der Wache ging es zu wie im Irrenhaus. Telefone klingelten, überarbeitete Deputys gingen ein und aus, um Berichte abzulegen und Häftlinge einzuliefern. Ihnen blieb gerade noch Zeit genug, den Schnee von ihren Stiefeln zu stampfen und ihre halb erfrorenen Finger an einem Kaffeebecher zu wärmen, bevor sie wieder hinaus mussten auf die eisigen Straßen. Immer mehr Meldungen über Unfälle, Stromausfälle und herabstürzende Äste gingen ein. Das Krankenhaus war überfüllt, in der Notaufnahme war die Hölle los. Und Amanda Pratt, die berüchtigt ehrgeizige Stellvertretende Bezirksstaatsanwältin, lag ihm wegen der Toten vom Catwalk Point in den Ohren. Sie hatte zwei Mails geschickt und einmal angerufen und verlangte nach mehr Information. Und dann war da noch die Presse, die ihn bereits bedrängte, insbesondere eine Lokalreporterin namens Roxie Olmstead, die sich nicht mit einer abschlägigen Antwort abspeisen ließ.
Carter wollte gerade Lieutenant Sparks anrufen, als er eine bekannte Gestalt zwischen den Büronischen hindurch auf sich zukommen sah. Zwar war sie nicht sonderlich groß, aber Jenna Hughes war nicht zu übersehen, wenn sie einen Raum betrat. Sie trug eine dicke Skijacke und eine enge Skihose, dazu schmale Stiefel. Köpfe fuhren herum, als sie vorbeiging. Carter selbst war auch nicht immun gegenüber ihren Reizen und bemerkte durchaus, wie ihre Stretchhose die Rundungen ihrer Hüften, die Form ihrer Schenkel und Waden nachzeichnete. Sie war einfach verdammt sexy und schien sich dessen selbst nicht einmal bewusst zu sein.
Ohne gewählt zu haben, legte Carter den Hörer wieder auf. Durch die Lamellen beobachtete er, wie sie in seine Richtung blickte und dann am Schreibtisch seiner Sekretärin stehen blieb. Jenna Hughes wird hier allmählich Stammgast , dachte er, während er zusah, wie sie sich an Jerri vorbeizumogeln versuchte.
Zusätzlich zu allem, was im Bezirk passierte, brauchte oder wünschte er sich nicht auch noch die Ablenkung durch diese Hollywoodprinzessin. Ganz gleich, was für ein Problem sie hatte. Aber ob es ihm passte oder nicht, er musste sie empfangen. Er stand auf, als Jerri an die Tür klopfte und ihren Kopf ins Büro steckte. »Jenna Hughes ist hier und möchte dich sprechen.« Jerri sah nicht allzu begeistert aus. Aber das tat sie
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