Sanft will ich dich töten: Thriller (German Edition)
Seite zur anderen. O Gott, er hat die falsche Frau entführt! Das alles ist ein grauenhafter Irrtum! Ich bin Sonja! Siehst du denn nicht, dass du die falsche Frau erwischt hast, du Scheißkerl? Lass mich frei!
Flüchtig sah sie eine Bewegung in der Dunkelheit, erkannte, dass jemand sie langsam umkreiste, ganz knapp außerhalb der Reichweite des Lichtscheins.
Es verursachte ihr eine Gänsehaut, und beinahe hätte sie vor Grauen ihre Blase entleert.
Das konnte doch nicht wahr sein! Sie befand sich auf einem Horrortrip, das musste es sein. Und doch zog er seine Kreise immer enger, eine große männliche Gestalt, kräftige Muskeln unter straffer Haut. Ihr Blick huschte fieberhaft von einer Seite zur anderen in dem Versuch, ihm zu folgen.
Plötzlich, als sei unvermittelt die Morgendämmerung über dieses Höllenloch hereingebrochen, begann Licht zu schimmern, vom Boden auszustrahlen, ihre Umgebung zu beleuchten, und sie erkannte, dass sie sich in der Mitte einer Bühne befand und dass die anderen, deren Nähe sie gespürt hatte – die Leute, die sie anstarrten … nein, keine Leute, sondern Schaufensterpuppen, nackt, kahlköpfig und ausdruckslos –, um sie herum gruppiert waren. Wo Augen hätten sein müssen, starrten leere Höhlen sie an.
Als sei sie ein Opferlamm auf einem Altar.
Sie sank vor Angst in sich zusammen.
Was um Gottes willen ging hier vor?
»Siehst du sie, Faye?«, fragte die körperlose Stimme. »Sie warten auf dich.«
Ich bin nicht Faye, und das hier sind Puppen. Sie warten auf niemanden!
Aus den Augenwinkeln bemerkte sie eine Bewegung. Er war ganz nahe, ein muskulöser, völlig nackter Mann. Sämtliche Körperhaare waren abrasiert, er war haarlos wie diese Schaufensterpuppen und hatte sich eine enge Kappe über den Schädel gezogen.
Sie kannte dieses Monster. Hatte ihm vertraut. Und jetzt umkreiste er sie, nichts am Körper außer Chirurgenhandschuhen, hochkonzentriert. In einer Hand hielt er eine Schere, in der anderen einen Rasierapparat, der laut summte.
Ihr Inneres krampfte sich zusammen, als er eine ihrer Haarlocken anhob und sie flink abschnitt. Die lange blonde Strähne fiel zu Boden. Unwillkürlich zuckte sie zurück, doch sie konnte ihm nicht ausweichen, konnte ihn weder treten noch kratzen, konnte nicht einmal schreien.
Du widerlicher Scheißkerl, tobte sie innerlich, während die augenlosen Schaufensterpuppen zusahen, wie er ganz langsam und ruhig ihr Haar abschnitt. Schnipp, schnapp. Im Takt der Musik.
Sie dachte an Szenen in Gefängnisfilmen, in denen den Verurteilten vor der Exekution der Kopf geschoren wurde. O nein … nein …
Dann wurde das Summen an ihrem Ohr zum Dröhnen, und während die Puppen mit ihren leeren Gesichtern weiterhin zusahen, spürte sie die erste kalte Berührung der Rasierklinge auf ihrer Haut.
Es gab kein Entkommen.
14. Kapitel
T ut mir Leid, Les … ich habe bisher noch nichts gehört«, sagte Shane mit einem Gefühl, als ruhte die Last der Welt auf seinen Schultern. »Ich habe mit der Staatspolizei gesprochen. Sie wissen nichts. Meine Deputys auch nicht. Genauso wenig wie die Kollegen von der städtischen Polizei. Wir haben die Krankenhäuser in der näheren Umgebung überprüft. Sonja ist nicht eingeliefert worden. Ich habe mit Lou Mueller gesprochen, und er sagt, du hättest schon mit ihm geredet und auch mit seinem Neffen, Chris Mueller, der Lou geholfen hat, bevor sie den Imbiss geschlossen haben. Sieht so aus, als ob die beiden die Letzten waren, die Sonja gesehen haben.«
»Was ist mit den Gästen?«, fragte Lester, und in seiner Stimme klang Hoffnung durch und noch etwas anderes, etwas Düsteres.
»Die überprüfen wir. Lou hat uns die Namen der Leute gegeben, die er kennt – die Stammkunden –, und wir haben die Beschreibungen von ein paar anderen sowie die Quittungen von Kreditkartenzahlungen. Ich habe veranlasst, dass die Deputys jeden vernehmen, der sich gestern in dem Imbiss aufgehalten hat. Zugleich lassen wir Sonjas Honda suchen.« Doch bisher hatten sie noch nichts gefunden. Natürlich spielte das Wetter gegen sie, die Hunde konnten kein großes Gebiet auf Spuren untersuchen, die Hubschrauber konnten nicht starten und selbst die berittenen Polizisten mit Nachtsichtgeräten konnten aufgrund der Kälte nicht richtig arbeiten. »Wir brauchen ein Bild von ihr, möglichst neueren Datums.«
»Okay. Kann ich sonst noch was tun?«
»Bleib in der Nähe des Telefons. Sprich mit Sonjas Freunden und Verwandten und gib Acht auf
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