Sanfte Eroberung
Wollen wir uns vielleicht in meinen Privatsalon zurückziehen, um die Angelegenheit zu besprechen? «
»Fleur!'«, protestierte Lily entgeistert, als die ältere Dame bereits Anstalten machte, hinauszugehen. »Da gibt es nichts zu besprechen.«
»Aber gewiss gibt es das, meine Liebe. Ich möchte wenigstens meine Neugier befriedigen, wenn sonst schon nichts.«
Lilys weitere Einwände stießen auf taube Ohren, und so kam es, dass der Marquess Fleur auf den Korridor hinausbegleitete und Lily ihnen hinterherlief, weil sie verhindern musste, dass er hinter ihrem Rücken etwas sagte, das nicht der Wahrheit entsprach.
Fleur plauderte nett mit ihm, während sie ihn die Treppe zu dem eleganten Salon im ersten Stock hinunterführte, der ihr und Chantel gehörte. Dort saß Chantel auf einem kleinen Sofa und las in einem Gedichtband, schaute jedoch sofort auf, als sie den Besucher erblickte. Dieser Tage empfingen sie höchst selten, und dass ein Adliger von Lord Claybournes Aussehen und Distinguiertheit sie aufsuchte, kam so gut wie nie vor.
Chantel errötete zart bei seinem eleganten Handkuss, und ihre blauen Augen weiteten sich vor Staunen, kaum dass Fleur ihr von den Absichten des Marquess berichtet hatte.
»Was hast du uns da verheimlicht, meine Liebe?«, schalt sie Lily. »Du hast uns mit keinem Wort verraten, dass du einen solch vornehmen Verehrer hast! «
»Weil es nicht wahr ist«, beharrte Lily.
»Ich hoffe jedoch, es wahrzumachen«, mischte Claybourne sich ruhig ein.
»Dann sind Ihre Absichten also wirklich ehrenhaft, My Lord?«, bohrte Fleur nach.
»Vollkommen.«
»Schön! Bitte, setzen Sie sich, und erzählen Sie uns, warum es Ihr Wunsch ist, Lily zu heiraten.«
Er nahm das Angebot nicht an, denn Lily blieb trotzig stehen. Allerdings erklärte er seine Gründe.
»Zunächst einmal bin ich noch keiner jungen Dame begegnet, die mit Miss Loring zu vergleichen wäre. Das letzte Mal sah ich sie vor einem Monat, aber seither konnte ich sie nicht mehr vergessen.«
Zu ihrem Verdruss wurde Lily rot. Sie hatte Lord Claybourne ebenso wenig vergessen können, aber sie hoffte sehr, dass er den Grund dafür nicht enthüllte: weil er ihre erste romantische Begegnung gewesen war.
Zum Glück ergriff Fleur das Wort, ehe der Marquess zu näheren Ausführungen kam. »Dennoch ist die Heirat ein sehr ernster Schritt, My Lord.«
»Fürwahr«, murmelte er. »Der eingeschworene Junggeselle in mir erschaudert ob des Gedankens, wie ich freimütig gestehe. Doch seit mein guter Freund Danvers unlängst Miss Lorings älteste Schwester heiratete, bin ich bereit, die Fesseln der Ehe etwas wohlwollender zu betrachten. Und natürlich werde ich über kurz oder lang Erben brauchen. Der Hauptgrund jedoch ist der, dass ich mir eine Ehe mit Miss Loring ausgesprochen harmonisch vorstelle.«
Lily zog eine Grimasse. Ihr gefiel nicht, dass hier über sie gesprochen wurde, als wäre sie gar nicht anwesend. Dieser Idiotie sollte sie umgehend ein Ende bereiten. »Mir scheint Ihr Urteilsvermögen fatal getrübt, Lord Claybourne. Ich wäre eine äußerst unpassende Gemahlin für Sie.«
Er drehte sich zu ihr. »Wie das? «
»Da gibt es zahlreiche Gründe. Ein wesentlicher wäre, dass ich größten Wert auf meine Unabhängigkeit lege. « '
»Was unbedingt für Sie als meine Gattin spricht, denn Schwäche reizt mich nicht. Ich wünsche keine Gemahlin, die wie eine Klette an mir hängt.«
Sie lächelte betont süßlich. »Nein, ich möchte behaupten, dass Sie bei mir das genaue Gegenteil erleben würden. Ich darf mich rühmen, meinen eigenen Kopf und meinen eigenen Willen zu besitzen. Und ich hege nicht die Absicht, irgendeinen Mann meinen >Herrn und Meister< zu nennen.«
»Was ich von Ihnen auch nicht erwarte. Als meine Frau wären Sie frei, zu tun, was Ihnen beliebt. «
Lily war misstrauisch. »Alles, was mir beliebt? «
»Innerhalb der Grenzen, welche die Vernunft setzt«, antwortete er mit einem trägen Lächeln.
»Wobei Ihre Definition von Vernunft entscheidend ist, richtig? «
»Ich denke, wir könnten uns gemeinsam auf bestimmte Grenzen einigen, was Ihr Verhalten angeht.«
»Das bezweifle ich«, konterte sie. »Ich unterwerfe mich ungern dem gesellschaftlichen Diktat.«
»Was Sie mir bereits sagten. «
Ihr entging nicht, dass Claybourne sich wieder einmal auf ihre Kosten amüsierte, was sie umso wütender machte. »Hatte ich Ihnen auch schon erzählt, dass ich das bin, was man gemeinhin einen Blaustrumpf nennt? Meine Schwester Roslyn
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