Sanfte Eroberung
sie sich ungern zum Ausritt mit ihm begeben würde, doch sie sah aus, als freute sie sich. Andererseits hätte er wissen müssen, dass er es nicht mit einem scheuen, verhaltenen Wesen zu tun hatte. Lily würde sich in jede Herausforderung stürzen, die sich ihr bot, einschließlich ihres Werbespiels.
»Ich gehe hoffentlich recht in der Annahme, dass Sie ein lebhaftes Pferd beherrschen? «, forschte Heath nach, während er näher kam, um Lily beim Aufsteigen zu helfen.
Als sie lächelte, zeigte sich ein Grübchen auf ihrer Wange. »Ihnen sollte eher Sorge machen, wie Sie mich beherrschen.«
Das Blitzen in ihren dunklen Augen verzauberte ihn und weckte den Wunsch in ihm, sie zu berühren. Folglich genoss er es, ihre Taille zu umfangen und sie in den Sattel zu heben. Die Stute tänzelte ein wenig, doch Lily brachte sie mühelos unter Kontrolle, bevor sie ihre Röcke richtete und den dünnen Schleier herunterzog, der leider ihr ganzes Gesicht bis zum Mund verhüllte. Ohne auf ihn zu warten, machte sie sich sodann davon zur Straße hinunter.
Heath schwang sich eilig in seinen eigenen Sattel, wies seinen Stallknecht an, hier auf sie zu warten, und trieb dann seinen Wallach an, Lily zu folgen.
»Ich dachte, wir reiten im Green Park«, schlug er vor, als er sie eingeholt hatte. »Er ist näher und weniger überfüllt als der Hyde Park. «
»Das ist mir sehr recht«, stimmte sie zu. »Dort können wir galoppieren. «
Der Green Park war nur ungefähr eine halbe Meile von Fannys Privatpension entfernt an der Gerard Street und, obgleich er in Londons belebtester Gegend lag, ein großer Park. Der Weg dorthin war von Straßenhändlern gesäumt und sehr verkehrsreich - Pferdefuhrwerke, Kutschen, kleinere Jagdwagen und weitere Reiter. Heath achtete auf Lily, die sich jedoch so geschickt im Umgang mit der lebhaften Stute anstellte, dass er sich bald entspannen und einfach ihre Gesellschaft genießen konnte.
Er bemerkte, wie seine Mundwinkel amüsiert zuckten, als er sich fragte, wie in aller Welt er in diese Lage geraten konnte: eine Frau zu umwerben, die er unbedingt zu seiner Braut machen wollte, während sie ihn eindeutig nicht wollte.
Noch nie hatte er eine Dame umworben. Derlei Mühen waren ihm bisher erspart geblieben. Bei seinem Vermögen und seiner Macht brauchte er nur ein bescheidenes Interesse zu zeigen, und schon war die Betreffende sein. In seinen wildesten Träumen hätte er sich nicht ausgemalt, Lily unter den Adleraugen ihrer wachsamen Kurtisanenfreundinnen umwerben zu müssen !
Und doch freute er sich auf die reizvollste Herausforderung seit Jahren.
Eigentlich war ihm Gewinnen immer leichtgefallen - zu leicht womöglich -, und er hegte die feste Absicht, aus diesem Werbespiel ebenfalls als Sieger hervorzugehen.
Da Lily allerdings so unkonventionell war, würden konventionelle Methoden bei ihr kaum fruchten. Falls er darauf hoffte, sie aus dem Gleichgewicht zu bringen, musste er einfallsreich sein. Deshalb die vollblütige Stute, die er gestern am späten Nachmittag eigens für sie gekauft hatte.
Sein Gefühl sagte ihm, dass er Lilys Herz nicht über Schmuck oder sonstigen weiblichen Flitter erreichte. Und nach ihrer Reaktion auf die Stute wusste er, dass er die erste Runde gewonnen hatte.
Leider waren die ersten Worte aus ihrem Munde nicht die einer jungen Dame, die es darauf abgesehen hatte, sein Herz zu gewinnen.
»Ich wünschte, Sie würden mir glauben, Lord Claybourne, wenn ich Ihnen sage, dass ich nie heiraten werde.«
Heath sah sie fragend an. »Sie wollen also ein Leben lang eine Jungfer bleiben? Das scheint mir unvorstellbar.«
»Mir nicht. Ich stelle mir vor, dass mir die Jungfernschaft höchst angenehm sein wird«, eröffnete Lily ihm überzeugt. »Außerdem sind zwei verheiratete Frauen in einer Familie mehr als genug.«
Er lachte. »Sie haben Ihren Schwestern nicht verziehen, dass sie sich verliebten.«
»Nein, das habe ich nicht.« Da Lilys Gesicht größtenteils verschleiert war, konnte er lediglich ihr mattes Lächeln erkennen. »Vermutlich war es ihr gutes Recht, über ihre eigene Zukunft zu entscheiden. Und ich bin sehr froh, dass sie glücklich sind. Was mich betrifft, war ich schon zufrieden, bevor Marcus den Titel unseres verstorbenen Stiefonkels erbte und in unser Leben trat. «
»Selbst als Sie unter dem Makel des Skandals lebten?«
Als ihr Lächeln erstarb, bereute Heath, dieses Thema angesprochen zu haben. »Es ist äußerst bedauerlich, dass Sie und Ihre Schwestern die
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