Sanfte Eroberung
Moment kam Ellen, das Mädchen, in den Salon gelaufen, und rang nervös die Hände. »Ich bitte um Verzeihung, Miss Irwin, Miss Loring, aber ich denke, Sie sollten sofort kommen. Da ist ein Herr in Miss Delees Salon, der nicht gehen will, ein Mister O'Rourke.«
Fanny wurde blass, sprang auf und eilte zur Tür. Lily folgte ihr. Mick O'Rourke war der Spielclubbetreiber, dem Fleur und Chantel dreißigtausend Pfund schuldeten. Wahrscheinlich war er gekommen, um das Geld einzufordern und womöglich auch seine Drohung zu erneuern, die beiden Kurtisanen ins Schuldnergefängnis zu bringen.
»Was willst du ihm sagen? «, fragte Lily, während sie die Treppe hinaufliefen.
»Ich weiß es nicht«, antwortete Fanny besorgt. »Ich muss ihn überreden, uns etwas mehr Zeit zu geben, denn noch fehlen uns die Mittel, ihn zu bezahlen. Vielleicht können ihn unsere Pläne für die Soiree überzeugen, schließlich ist Mick Geschäftsmann.«
Lily war Fanny dicht auf den Fersen, als sie den Salon oben erreichten. Was sie jedoch sah, sobald sie die Tür öffnete, ließ Lily vor Schreck erstarren.
Dort kauerte Chantel in der Sofaecke und blickte angsterfüllt einen grobschlächtigen schwarzhaarigen Mann an, der bedrohlich dicht vor Fleur stand, ihren Arm gepackt hatte und sie anknurrte: »Meine Geduld ist erschöpft, Weib! Ich habe euch mehr Zeit gegeben, einen vollen Monat! Aber jetzt reicht es. Ich will mein Geld sofort, oder Fanny muss für euch bezahlen.«
Fleur indessen reckte hochmütig ihr Kinn. »Du ungehobelter Grobian, du bekommst überhaupt nichts, solange du dich so unmöglich aufführst! Ich verlange, dass du gehst! «
Sein Gesicht war fleckig vor Zorn. »Du wagst es, mich ungehobelt zu nennen?!«
»Oh ja, das wage ich, du Schurke! «
Fleurs Beschimpfungen bewirkten lediglich, dass er ihren Arm noch fester packte und ihn ihr grob genug nach hinten drehte, um Fleur einen Schmerzensschrei zu entlocken.
»Mick, bitte! Lass sie los!«, rief Fanny erschrocken.
Lily hingegen verschwendete keine Zeit mit Bitten, geschweige denn Nachdenken. Sie wurde so wütend, dass sie quer durch das Zimmer auf O'Rourke zustürmte und mit beiden Fäusten auf seinen Rücken einboxte. Prompt ließ er Fleur erschrocken los und wandte sich um, worauf ihre Faust ihn heftig genug am K inn erwischte, dass er rückwärtsstolperte.
»Was soll das, verdammt ... ?! «, dröhnte er und hob beide Arme schützend vor sein Gesicht.
»Wagen Sie es nicht, ihr wehzutun!«, warnte Lily ihn, während sie weiter mit den Fäusten auf ihn einschlug.
O'Rourke jedoch hatte inzwischen mitbekommen, wie klein und zart seine Angreiferin war, und wehrte ihre Schläge mühelos ab.
Natürlich entging Lily nicht, dass sie ihm an Kraft und Größe weit unterlegen war, weshalb sie sich rasch nach einer geeigneten Waffe umsah. Ihr Blick fiel auf eine schmale Bronzestatue auf einem Beistelltisch, welche die nackte Aphrodite darstellte.
Sie packte die Statue und holte damit aus. »Raus hier! Verlassen Sie umgehend das Haus!«
Mit finsterer Miene trat O'Rourke einen Schritt auf Lily zu, die ihm die Statue gegen die Schulter knallte.
Schreiend stolperte O'Rourke wieder zurück und hielt sich die schmerzende Schulter.
»Raus hier, sagte ich! «, wiederholte Lily zischend.
Zwar hob er erneut beide Hände, rührte sich jedoch nicht vom Fleck. »Keiner sagt Mick O'R ourke, was er tun soll, Missy! «
»Sofort!«, befahl Lily und machte Anstalten, ihn wieder mit der Statue zu schlagen.
Daraufhin biss O'Rourke die Zähne zusammen, drängte sich an ihr vorbei und stapfte hinaus.
Fanny eilte zu Fleur, um sie zu trösten, während Lily dem Unhold folgte, weil sie sichergehen wollte, dass er auch wirklich das Haus verließ.
Voller Zorn trampelte er die Treppe hinunter und brüllte: »Ihr hört noch von mir! Das Gefängnis wird die kleinste Sorge der beiden sein, das schwöre ich! «
Seine Stimme vibrierte vor Wut, wie auch Lilys, als sie oben an den Treppenabsatz kam und ihm nachrief: »Wir treiben Ihr Geld auf, aber Sie sind hier nicht willkommen!«
»Ich gehe ja, Sie verdammte Irre! «, raunzte er. »Das werden Sie noch bereuen! «
Erst jetzt bemerkte Lily, dass Lord Claybourne im selben Moment die Treppe hinaufkam und auf halbem Weg stehen blieb, konsterniert ob der Aufregung.
Doch erst, nachdem O'Rourke zur Vordertür hinausgelaufen war, wanderte ihr Blick zu Claybourne. Seinen Schock nahm sie allerdings nur benommen war, denn vor lauter Zorn bekam sie auf einmal weiche
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