Sanfte Eroberung
über so lange Zeit mit Lord Claybourne allein sein, noch dazu in seinem Haus. »Können wir den Unterricht nicht hier abhalten? Der Salon, den wir für die Tanzstunden nehmen, sollte groß genug sein.«
»Ja, er dürfte passender sein als meiner, vermute ich. Es könnte Ihrer Reputation schaden, in meinem Haus dabei gesehen zu werden, wie Sie einem Herrensport nachgehen.«
Inzwischen hatten sie die Salontür erreicht, und Lily blieb stehen. »Meine Reputation ist mir nicht wichtig. «
»Mir aber, meine Süße. Ich bringe Übungsflorette mit. Nur hätte ich eine Bedingung, wenn ich Sie unterrichte.«
»Und die wäre? «
»Dass Sie mich bei meinem Taufnamen nennen statt >My Lord<. Mein Name ist Heath.«
Er beobachtete, wie sie mit sich rang, war ihr die Anrede mit Vornamen doch entschieden zu vertraut, unter Umständen aber doch den Lohn, die Fechtkunst zu erlernen, wert.
»Einverstanden«, willigte sie nach einer kurzen Bedenkzeit ein. »Ich nenne Sie Heath. Doch Ihre Stunden sollten lieber hervorragend sein, sonst sind wir ganz schnell wieder bei >My Lord<.«
Er grinste, als sie sich zur Tür wandte, und beglückwünschte sich für den Sieg in dieser winzigen Schlacht. Zugleich hatte Lily auch eine gewonnen, indem sie ihn
wider besseres Wissen überredete, sie Fechten zu lehren.
Trotzdem hatte er den größeren Triumph eingestrichen, denn er würde nicht bloß Zeit mit ihr genießen können, sondern bekäme überdies die Chance, sein Werben zu intensivieren. Und ihm schwebte eine weit interessantere Lektion vor als die, sie in die Grundbegriffe des Schwertkampfes einzuweihen.
Leise lachend fuhr er sich mit der Hand durchs Haar. Wie berechnend er bei Lily mittlerweile war! Er war keinen Deut besser als die Debütantinnen, die ihm seit Jahren nachstellten.
Sie ließ ihm nun einmal keine andere Wahl, sagte er sich, während er ihr in den Salon folgte.
Als sie direkt auf ihre Freundinnen zuging, um sie zu umarmen, hielt Heath sich im Hintergrund. Fleur schien sich nach allem recht gut zu halten, aber Chantel zitterte und vollführte schwache flatterhafte Gesten mit ihrem Seidenfächer. Fanny hingegen hatte sichtlich Mühe, ihre Wut zu beherrschen.
Alle vier Frauen begannen gleichzeitig zu reden, wobei Heaths Augen allein auf Lily ruhten. Sie war faszinierend: voller Widersprüche, ärgerlich dickköpfig, aber auch erstaunlich großzügig, mitfühlend und loyal. Sie würde bei ihrem Spiel keinen Jota nachgeben, und dennoch war sie bereit, ihr Vermögen für ihre Freundinnen herzugeben, sollten sie es brauchen.
Nicht zu vergessen, dass Lily entzückend frisch und betörend war. Sie war mutig und waghalsig bis hin zur Narretei. Heath musste daran denken, wie sie O'Rourke aus dem Haus gescheucht hatte. Das wäre spaßig gewesen, fürchtete Heath nicht, dass ein Mann wie O'Rourke auf Rache sann.
Jedenfalls konnte er Lily die Leidenschaft nicht vorwerfen, mit der sie die Schwachen verteidigte. Vielmehr gehörte gerade diese Verve zu den Wesenszügen, die er am meisten an ihr bewunderte.
Dass sie ihre eigenen Schwächen hatte, entging ihm keineswegs. Nicht zum ersten Mal spürte er unter ihrem Wildfanggebaren eine tiefe Verletzlichkeit. Er hatte den gequälten Ausdruck in ihren Augen bemerkt, als sie ihren Kampf gegen die Burschen in der Gasse gewannen. Da war für einen Moment Angst in ihrem Blick aufgeflackert, die in Heath den Wunsch geweckt hatte, sie in die Arme zu nehmen und zu trösten.
Und genau dieses Gefühl wurde er nicht mehr los. Lily erregte seinen Beschützerinstinkt gleichermaßen wie sein Verlangen, obschon er wusste, dass sie ihr Leben gäbe, ehe sie sich von einem Mann beschützen ließe.
Jemand hatte sie zutiefst verletzt, dessen war er sich sicher. Und das mochte der Grund sein, weshalb sie sich so unnahbar gab.
Er würde nicht zulassen, dass ihr noch einmal wehgetan wurde! Er beschützte, was sein war, und Lily war sein - selbst wenn sie es noch nicht begriff.
Eine ungekannte, unermessliche Zärtlichkeit überkam ihn, als er sah, wie sie ihre Freundinnen tröstete. Er hatte fest vor, herauszufinden, warum Lily glaubte, sich so schützen und verteidigen zu müssen. Und er war entschlossener denn je, sie um jeden Preis zu gewinnen.
Lily dachte, sie würde keine Männer, ihn nicht brauchen, aber er würde ihr zeigen, wie sehr sie sich irrte.
Achtes Kapitel
Lord Claybourne spielt ganz und gar nicht fair!
Lily an Fanny
Am folgenden Nachmittag war Heath sprachlos, als Lily
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