Sanfte Eroberung
und will es noch. Du hast Claybourne furchtbar in die Irre geführt, wofür du ihn hoffentlich zu entschädigen gedenkst.«
»Was meinst du? «, fragte Lily misstrauisch.
»Du musst ihm gestatten, dich über den See zu rudern, nachdem die Kinder ihre Bootsfahrten hatten, nur ihr zwei allein. Das dürfte recht romantisch werden«, sie wies über den See, »bei einer so idyllischen Szenerie.«
»Winifred!«
»Ich bestehe darauf! «
Als Lily Anstalten machte, zu protestieren, hob Winifred eine Hand. »Na schön, ich kenne dich gut genug, um nicht darauf zu bestehen. Aber ich denke nicht, dass es zu viel verlangt wäre.« Ihre Ladyschaft schmollte geziert. »Bitte, meine Liebe, tu einer alten Frau ein einziges Mal einen Gefallen! «
Lily stöhnte. »Du bist überhaupt nicht alt.«
»Ich könnte deine Mutter sein«, konterte Winifred. »Überdies verfüge ich über einiges mehr an Erfahrung als du. Glaube mir, du möchtest im Alter nicht allein sein wie ich!«
Lily verzichtete auf weitere Einwände und erklärte sich zur Bootsfahrt mit Lord Claybourne bereit. Die erwachsenen Gäste gaben sich mit kurzen Exkursionen auf dem See zufrieden, doch es verging fast eine ganze Stunde, bis Heath mit der letzten Gruppe ans Ufer zurückkehrte. Lily hoffte, ihm wäre nun die Lust vergangen, was leider nicht der Fall war. Kaum waren die Kinder aus dem Boot gestiegen und liefen mit Tess weg, wandte er sich erwartungsvoll an Lily. »Endlich bist du an der Reihe! «
Lily wollte allein in das Ruderboot klettern, als Heath ihr seine Hand reichte. »Gestatte mir, ausnahmsweise ritterlich zu sein! «, bat er sichtlich amüsiert.
Da sie wusste, was die Berührung mit ihr anstellen würde, wollte Lily sein Angebot lieber nicht annehmen. Nur blieb ihr wohl keine andere Wahl. Also nahm sie seine Hand, zog ihre jedoch rasch wieder zurück, sobald sie auf der Bank ihm gegenübersaß.
»Du hast Lady Freemantle das eingeredet, nicht wahr?«, fragte sie, als Heath die Ruder aufnahm und das Boot in Bewegung setzte.
»Bei ihr bedurfte es wenig Ermunterung. Sie wünscht sich, dass wir Gelegenheit haben, zusammen zu sein. Nimm es mit Humor, meine Liebe, und tu so, als würde es dir Spaß machen.«
Lily spürte, wie ein Lächeln über ihren Mund huschte. Tatsächlich war es recht lustig , sich von ihm rudern zu lassen.
»Ich kann durchaus selbst rudern«, erklärte sie, denn allzu leicht wollte sie nicht klein beigeben. »Du brauchst mich nicht wie eine zarte Mimose zu behandeln.«
»Dergleichen Sinnestäuschungen lägen mir fern. Du gleichst viel eher einer Distel.« Heath lachte leise, als sie das Gesicht verzog. »Du darfst die Ruder gleich übernehmen, aber vorerst lehne dich einfach zurück, und genieße das romantische Intermezzo! «
Sie sah ihn verwundert an. »Du erwartest doch gewiss nicht von mir, dass ich affektiert lächle und mit dir flirte? «
»Welch ungewöhnlicher Gedanke! Du bist viel zu direkt für solch weibliche List,
Lily wandte den Blick von seinem umwerfenden Lächeln ab und konzentrierte sich stattdessen auf die Umgebung. Es war angenehm, auf dem Wasser zu sein, obgleich sie die Gesellschaft des charmanten Unholds erdulden musste ... oder vielleicht gerade deshalb. Die Sonne war hinter den Wolken hervorgekommen und es doch noch ein wunderschöner Sommernachmittag geworden, auch wenn der Wind deutlich auffrischte.
Mit der Zeit kam eine entspannte Zufriedenheit über sie - bis sie die Mitte des Sees erreichten. Dort legte Heath eines der Ruder ab und streckte eine Hand nach Lilys Hutband aus.
Erschrocken packte sie sein Handgelenk, um ihn aufzuhalten. »Was in aller Welt tust du?«
»Du siehst viel zu streng und anständig aus«, antwortete er, löste die Bänder und nahm ihr den Hut ab. »Du solltest den Wind in deinem Haar spüren.«
Unsicher blickte Lily zum Ufer, wo niemand in ihre Richtung zu sehen und seine Dreistigkeit zu bemerken schien. Lily beugte sich vor, entriss ihm ihren Hut und setzte ihn sich wieder auf. Doch bevor sie die Bänder erwischte, verfing eine Windböe sich unter der breiten Krempe, so dass der Hut seitlich über den Bootsrand hinaussegelte.
Lily handelte im Reflex, indem sie sich zur Seite warf und nach dem Hut griff. Zu ihrem Unglück verfehlte sie ihn nicht bloß, sie tauchte auch noch ihren Arm bis zur Schulter ins Wasser.
Die plötzliche Kälte entlockte ihr einen stummen Aufschrei, während sie mit ihrer freien Hand nach dem Bootsrand suchte, um ihr Gleichgewicht
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