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Sanfter Mond über Usambara

Sanfter Mond über Usambara

Titel: Sanfter Mond über Usambara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Bach
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Wangen, aber zufriedener Miene kehrte sie in ihr Bett zurück, verlangte einen zusätzlichen Gute-Nacht-Kuss und drehte sich dann zur Wand, um rasch einzuschlafen. Charlotte wusste nicht recht, ob sie stolz auf ihr Mädchen oder ärgerlich sein sollte. Sie hatte Courage, ihre kleine Tochter, aber auch jede Menge Eigensinn und die Neigung, unter allen Umständen ihren Willen durchzusetzen. Vielleicht enthielt Mennas boshafte Bezeichnung » verwöhntes Gör « doch ein winziges Körnchen Wahrheit.
    Früh am Morgen, als alle außer der Großmutter noch schliefen, läutete jemand an der Haustür. Charlotte fühlte sich weder für den Briefträger noch für einen Hausierer zuständig und drehte sich schlaftrunken auf die andere Seite. Verärgert spürte sie, wie Elisabeth über sie hinwegkrabbelte, um ans Fenster zu gelangen; gleich darauf wurde der Vorhang zurückgezogen.
    » Mama, das blöde Fenster klemmt. Ich kriege es nicht auf! «
    » Du musst es auch nicht öffnen, Elisabeth. Die Großmutter wird gleich zur Tür gehen. «
    » Aber da unten steht doch George! «
    » Was? «
    Charlotte warf das Federbett zurück und riss im Verein mit ihrer Tochter an dem widerspenstigen Fensterflügel. Das aufgequollene Holz wehrte sich beharrlich und gab erst nach, als Charlotte den Flügel ein wenig anhob.
    Er war es tatsächlich. Stand dort unten vor der Haustür in seinem beigefarbenen Anzug, den Hut in der Hand, und blinzelte grinsend zu ihnen hinauf.
    » Habe ich die Damen aus dem Schlaf geschreckt? Was für ein hübscher Anblick. Blonde und schwarze Locken, ungekämmt und ganz sicher nach warmem Schlummer duftend… «
    » Du Witzbold! Weshalb hast du nicht telegraphiert? Wieso kommst du so früh am Morgen? «
    Sie hörte ihn fröhlich lachen, gleich darauf wurde unten die Tür geöffnet, und die Großmutter stieß einen überraschten Ruf aus. Charlotte stürzte zu ihren Kleidern, während Elisabeth ungeniert im Nachthemd und auf bloßen Füßen die Stiege hinunterlief. George war gekommen, die quälende Zeit der Trennung war vorüber! Mit fahrigen Händen kleidete Charlotte sich an. Die enge Kammer schien vor Sonnenlicht zu bersten. Himmel, sie benahm sich wie ein junges Ding, das zum ersten Mal verliebt war– wie lächerlich, zugleich aber auch wundervoll und unendlich kostbar dieser Augenblick war! Ein vollkommener Moment des Glücks war ihr geschenkt worden, und sie nahm ihn an, wohl wissend, dass das Leben sparsam mit solchen Geschenken umging.
    Als sie in die Stube trat, hielt George Elisabeth auf dem Arm, die aufgeregt auf ihn einredete, sein Blick war jedoch auf Charlotte gerichtet. In seinen grauen Augen lag immer noch jener Ausdruck, der sie schon als junges Mädchen verzaubert hatte, das intensive Bemühen, hinter den Dingen etwas zu entdecken, das bisher jedem anderen verborgen geblieben war.
    » Ich konnte mich nicht früher losmachen « , erklärte er und bückte sich, um die Kleine wieder auf die Füße zu stellen. » So viele lästige Menschen, so viel nutzloses Gewäsch, vertane Zeit. Das einzig Positive an diesem Ausflug war die Erkenntnis, dass ich ohne dich nicht zurechtkomme, Charlotte. «
    Er zog sie an sich, in seinem Kuss lag weit mehr Begehrlichkeit, als sie den Augen der Großmutter hätten zumuten dürfen, doch das war Charlotte in diesem Augenblick völlig gleichgültig. Sie spürte die Wärme seines Körpers, seinen raschen Herzschlag, spürte, dass auch er sie unendlich vermisst hatte– ein berauschendes Gefühl. Es war schwer, sich aus dieser ersten, intensiven Umarmung zu lösen. Beide taten es unwillig, fast gewaltsam, ohne die Hände des anderen loszulassen. Statt der vielen zärtlichen Dinge, die sie einander gern gesagt hätten, fragte George, wie sie die Tage in Leer verbracht habe.
    » Oh, es war schön, meine Familie wiederzusehen. Man hat uns so herzlich aufgenommen, dass ich noch immer ganz gerührt bin… «
    George lächelte. An ihrem Tonfall hatte er erkannt, dass sie nur die halbe Wahrheit sagte.
    » Das freut mich sehr. Ich hatte schon Sorge, du würdest dich hier langweilen… «
    In diesem Augenblick nahm die Großmutter das Zepter in die Hand. George Johanssen war erschienen, und wie schon damals, als er aus England zu Besuch nach Leer gekommen war, scheute sie weder Kosten noch Mühe, ihren Gast zu bewirten. Auch nach all den Jahren, selbst nach der Scheidung von Marie, wirkte Georges Zauber auf die Großmutter fort. Antje, die inzwischen angezogen war, wurde in die Küche

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